Harte Reibung erzeugen
Samstag Premiere an den Münchner Kammerspielen: Der Berliner Autor, Regisseur und Intendant Armin Petras kombiniert Goldonis Komödie „Der Krieg“ mit Kleists Pathos in "Robert Guiskard"
Er ist einer der produktivsten Regisseure Deutschlands: Weit über 70 Inszenierungen hat Armin Petras 1992 herausgebracht, oft bis zu sieben pro Jahr. Seit 2006 leitet er das Berliner Maxim Gorki Theater, schreibt unter dem Pseudonym Fritz Kater sozialkritische Zeitstücke, die er selbst uraufführt. Jetzt inszeniert Petras an den Kammerspielen „Der Krieg“, eine Collage aus Goldonis Komödie „Der Krieg“ (1760) und Kleists Dramenfragment „Robert Guiskard“ (1808). Heute, Samstag, ist Premiere.
AZ: Herr Petras, Sie haben an 21 deutschen Theatern gearbeitet, aber erst zwei Mal in München inszeniert: 1992 im Werkraum „Der Kampf des Negers und der Hunde“, 2001 am Resi den „Sommernachtstraum“.
ARMIN PETRAS: Ich glaube, ich war an den Kammerspielen der am kürzesten anwesende Regieassistent, der am schnellsten inszeniert hat. Die Zeit nach 1989 war extrem für mich. Ich bin ja erst 1988 aus der DDR in den Westen gegangen. An diese andere Welt musste ich mich gewöhnen. Es freut mich, nach 18 Jahren an den Kammerspielen noch viele Kollegen zu kennen. So viel Kontinuität kenne ich von anderen Theatern nicht.
Goldonis „La Guerra“ kennt heute kaum noch jemand. Die Tochter des Kommandanten einer belagerten Festung liebt einen feindlichen Hauptmann, der gegen ihren Vater kämpfen muss. In Kleists Einakter „Robert Guiskard“ belagert Italiens Normannen-Herzog Guiskard Konstantinopel, aber seine Soldaten wollen wegen der Pest nach Hause. Was verbindet die Stücke?
Beide erzählen etwas über den Krieg. Goldoni zeigt den Widerspruch zwischen Kriegsgewinnlern – auch heute floriert die Rüstungsindustrie – und Leuten, die in den Krieg müssen oder durch ihn leiden. Das hat nichts Moralisches, es geht um Machtinteressen. So ein Thema in München zu machen, einer der blühendsten Städte Deutschlands, liegt mir näher als eine Beziehungskomödie. Bei Kleist wird nach dem Krieg reflektiert, was gewesen ist, ein deutscher Stoff.
Die Pest herrscht, das Gerücht geht, auch Guiskard sei erkrankt. Das Heer will heim.
Jeder denkt da wohl zuerst an Stalingrad. Aber bei Kleist wollen die Soldaten in den italienischen Himmel, das ist eine Sehnsucht nach Arkadien, nach einem utopischen Wunsch-Deutschland. Es geht um die Suche des Volkes nach nationaler Identität und die Sehnsucht nach einem großen Führer. Dazu kann man viel assoziieren, bis hin zu Afghanistan. Bei uns gibt es keine Nazi-Uniformen. Wir wollen Kleists Ideenwelt darstellen.
Angeblich hat Kleist sein 1802/03 geschriebenes Drama „Robert Guiskard“ verbrannt und später diesen ersten Akt rekonstruiert.
Meine Vermutung ist, dass Kleist nie mehr als das geschrieben hat. Es gibt ja keine Handlung, nur erschöpfte Menschen, die mit ihrem Führer reden wollen. Kleist war kein Theaterpraktiker, aber er wusste wohl, dass das zu seiner Zeit nicht als komplettes Drama durchgehen würde.
Wie verträgt sich Goldonis Komödie mit Kleists Pathos?
Man muss die Gegensätze hart gegeneinander setzen, damit Reibung entsteht. Bei den alten Griechen endete der Dichterwettstreit nach drei Tragödien mit einem Satyrspiel. Bei uns steht das am Anfang der Tragödie.
Sie wollen nicht an einer Regiehandschrift erkennbar sein. Ihre Inszenierungen zeichnen sich meist durch einen kräftigen Stilmix aus.
Diesmal wird es keine Videos geben, nur ein karges Bühnenbild, kaum Requisiten. Wir versuchen, über große Reduktion klare Bilder herzustellen. Dabei ist auch die Fallhöhe der Sprache wichtig. Es geht darum, Kleists Gedanken zu zeigen.
Gabriella Lorenz
Premiere in den Kammerspielen, Samstag, 19.30 Uhr, Tel. 233 966 00
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