Harlekin trägt Westwood

Franz Anton Bustellis Commedia dell’Arte-Figuren sind neuerdings in Haute Couture gehüllt und stehen im Zentrum einer delikaten Porzellan-Schau des Bayerischen Nationalmuseums
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Franz Anton Bustellis Commedia dell’Arte-Figuren sind neuerdings in Haute Couture gehüllt und stehen im Zentrum einer delikaten Porzellan-Schau des Bayerischen Nationalmuseums

Die Herrschaften könnten ihre Sehnen in irgendeinem chinesischen Zirkus dehnen. So kaugummigelenkig wie elegant werfen sich Colombine und Scaramuz, Octavio und der Capitano in Szene. Unweigerlich denkt man an Erasmus Grassers Moriskentänzer, die’s fast 300 Jahre früher noch etwas wilder trieben – und landet hier allerdings im gefällig gepuderten Rokoko.

Franz Anton Bustellis feine Figürchen drehen sich zum 300. Porzellan-Geburtstag im Bayerischen Nationalmuseum und haben todschicken Zuwachs bekommen: Renommierte Couturiers und Modedesigner – von Christian Lacroix bis Vivienne Westwood – entwarfen ein nagelneues Outfit für die sechzehn Grazien und Galane aus der Commedia dell’Arte. Locker könnte die illustre Truppe damit auf den Catwalks zwischen New York und Mailand punkten. Leda mit ihrem schwarzweißen Blumenprint von Pascal Millet und Harlekin Mezzetino in den bunten Flicken der Westwood, Zofe Colombine, die von Viktor & Rolf ganz in Schwarz gehüllt wurde, und der eifersüchtige Capitano im dynamischen Geo-Muster von Gareth Pugh.

Jede Menge Erotik beim Bankett

Dahinter steckt eine amüsante Idee der Porzellan Manufaktur Nymphenburg, die mit diesem Haute-Couture-Defilée ihr 260-jähriges Bestehen feiert. Man war in Bayern halt ein bisschen später dran als in Sachsen, die Wittelsbacher ließen sich erst vier Jahrzehnte nach August dem Starken von der „Maladie de porcelaine“ infizieren. Dann aber gscheit. Franz Anton Bustelli war ihr Star-Modellierer, auf Neudeutsch Designer, und damit das Pendant zu Johann Joachim Kändler in Meißen.

Doch was nach ein paar originellen Pinselstrichen klingt, war in der Porzellanfertigung ein höchst aufwändiger, komplizierter Prozess, bei dem viel schief gehen konnte. Auch das erfährt man in der delikaten, von Katharina Hantschmann kuratierten Studioschau, die gerade mal zwei Räume umfasst, aber Zeit fordert. Fast braucht man eine Lupe, um die Finessen Bustellis und der Modegurus zu fassen, mit üppigen Rokoko-Roben kann man sie vergleichen und schrillen Westwood-Kreationen. Und sich über zum Teil sehr erotische Gesten wundern, die auf Wandtafeln erklärt sind. Die teuren Figürchen – ein Exemplar der Couture-Edition kostet 12500 Euro – kamen eben erst zum Dessert aufs Bankett. Und sollten wohl Lust auf noch viel Süßeres machen.

Christa Sigg

"Haute Couture in Porzellan - von Franz Anton Bustelli bis Vivienne Westwood", bis 31. Oktober im BayerischenNationalmuseum, Prinzregentenstraße 3, Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17, donnerstags bis 20 Uhr, www.bayerisches-nationalmuseum.de

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