Greller, pinkfarbener Wahnsinn
Dieser Film macht wahnsinnig. Er ist so grell und bunt, so trist und grau, er ist witzig, er ist zutiefst traurig, er weckt Aggressionen und Leidenschaften, den Wunsch nach Freundschaft, nach Sex, nach Liebe. Wenn man aus „Lollipop Monster” herausgeht, ist man verstört, froh, dass man es hinter sich hat und zugleich, dass man dieses wunderbare Experiment, diese ganz andere Art von Film, sehen durfte.
Ari und Oona verbindet eine extreme Freundschaft, wie sie nur in der Jugend möglich ist. Aris Eltern leben in einer künstlichen Welt. Ihre Mutter ist eine überspitzte Karikatur einer Frau, die immer lieb ist zu ihren Kindern, während die 15-jährige Ari sich in Sex-Abenteuer stürzt und ihr Bruder aggressiv ist. Oonas Vater hat sich erhängt, an einem Baum vor der Schule seiner Tochter, nachdem er von Oona erfahren hatte, dass seine Frau mit seinem Bruder schläft. Oona beginnt, sich zu ritzen, malt depressive Bilder, hasst ihren Onkel, der nun den Platz ihres Vaters einnehmen will.
Die Mädchen, eindringlich und authentisch gespielt von Sarah Horvarth und Jella Haase, flüchten sich in ihre eigene Welt. Sie finden sich in der Musik der fiktiven düsteren Deutschrock-Band „Tier” wieder, in Textstellen wie „Du solltest nie vergessen, ich könnte dich einfach fressen, bin unberechenbar”. Aris grelle, pinkfarbene Welt prallt auf die graue Oonas, wird ebenfalls düsterer. Diese innere Zerrissenheit beider Mädchen inszeniert Regisseurin Ziska Riemann in ihrem Spielfilmdebüt mit surrealen Effekten, mit Überstilisierungen. Riemann zeichnet Comics, sie macht Musik, sie malt, fotografiert. Ihre künstlerische Breite fließt komplett in den Film. Die Comic-Elemente, Animationen, Super 8-Sequenzen fern jeden Realitätsanspruchs bilden ein Wirrwarr aus Gefühlen und Bildern.
Das Drehbuch hat Luci van Org, die Anfang der 90er unter dem Namen Lucilectric mit dem Lied „Mädchen” berühmt wurde, gemeinsam mit Riemann geschrieben. Es sind die Erfahrungen beider Frauen als junge Mädchen, zusammengeworfen in der Vorstellung, sie hätten sich schon damals kennen gelernt.
Dieser Film ist eine Bereicherung. Er ist völlig frei von Konventionen, traut sich immer einen Schritt weiter als jeder andere es täte und hinterlässt ein Nachgefühl der Faszination.
Kino: Monopol R: Ziska Riemann (D, 96 Min)
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