Grandiose Schurken

Bei der Wiederaufnahme von zarts „Don Giovanni” in Salzburg überzeugen Gerald Finley und Erwin Schrott
Robert Braunmüller |
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Regisseure sind Buhs gewöhnt. Dass aber ein paar Andersdenkende schon nach der Pause von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen und den Dirigenten lautstark abstrafen, passiert nicht jeden Tag. Und schon gar nicht in Salzburg, wo die Höhe der Preise ohnehin für eine positive Grundstimmung sorgt.

Was hat Yannick Nézet-Séguin bei der Wiederaufnahme von „Don Giovanni” falsch gemacht? Eigentlich nicht viel. Der Dirigent sorgte mit erhöhtem Pulsschlag für dramatische Nervosität. Die Wiener Philharmoniker nahmen keine Note selbstverständlich. Don Giovannis Geschichte stürzte vom ersten Takt an dem Untergang entgegen. Das passte perfekt zu Claus Guths Psychokrimi. Bühne und Graben bildeten eine festspielwürdige Einheit. Und darauf kommt es letztlich an.

Trotz rasender Tempi achtete Nétzet-Séguin immer wieder auf Ruhepunkte wie den verhalten schnellen Teil von „La ci darem la mano” oder die zart verklingende Serenade. Über die hochmanierierte Begleitung der Rezitative durch Hammerklavier und Cello lässt sich streiten, auch der Schluss des ersten Akts und die vom unstet singenden Komtur Franz Josef Selig gestörte Höllenfahrt wirkten etwas durchbuchstabiert. Dennoch verdient der Franzose ein Bravo für eine schlanke Aufführung, in der die tragische Dimension nicht ausgespart wurde und die sich nie in gefälliger Unverbindlichkeit erschöpfte.

Von der Premierenbesetzung des Jahres 2008 waren nur Erwin Schott und Dorothea Röschmann übrig. Trotzdem formten Regisseur und Dirigent darauf ein rundes Ensemble, in dem sich der Publikumsliebling aus Uruguay nicht in den Vordergrund spielte. Schrotts Leporello ergänzte sich perfekt mit dem ebenfalls bassig timbrierten und ähnlich kraftvoll singenden Gerald Finley als Don Giovanni zum Männertraumpaar.

Den an sich guten Eindruck von Malin Byströms Donna Anna zerstörten zuletzt die übersteuerten Koloraturen im schnellen Teil von „Non mi dir”. Auch ihr Ottavio Joel Prieto hatte sein grundsolides Material diesbezüglich nicht ganz im Griff. Höchst erfreulich dagegen die zauberhafte Zerlina von Christiane Karg und Dorothea Röschmanns Elvira, die Komik und Tragik im Gleichgewicht hält und „Mi tradì” wirklich bravourös hinausschleudert.

Claus Guths Bierdosen- und Handynaturalismus hat einen Vorzug: Er ist in seinem Recycling der romantischen Don-Giovanni-Deutung frei nach E.T.A. Hoffmann gnadenlos konsequent bis zum Weglassen der „Scena ultima” nach der Höllenfahrt. Ein Happy End wäre ohnehin wegen Annas Selbstmord aus unerfüllter Liebe unmöglich. Man stellt sich nur nach einiger Zeit die Frage, wie eigentlich das viele Licht in den nächtlichen Wald kommt. Was aber sonst niemand störte: Der Regisseur wurde am Ende widerspruchslos in den Jubel einbezogen. Und, immerhin, sogar ein Wiener Philharmoniker klatschte aus dem Orchestergraben dem Dirigenten zu, der sich bei dieser Aufführung restlos verausgabt hatte.

Wieder am 20., 23., 27., 29. 8. Restkarten unter www.salzburgerfestspiele.at

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