Gott, bitte einen Besen!
Nicht ohne Ekel-Einlagen und Klamauk: Christian Stückl reibt sich gerne an der Disparatheit des »Peer Gynt« und verleiht seiner Inszenierung am Volkstheater sogar einen bayerischen Touch.
Das war der Clou der Premiere: In der Wüstenszene ging ein Sektkelch zu Bruch, Scherben blieben auf der Bühne liegen. Der barfüßige Peer Gynt nutzte das Zwiegespräch, das er gerade mit dem Herrgott führte, und rief diesen um Hilfe an: „Gott, kann ich kurz einen Besen haben?“
Sein Wunsch wurde erhört. Maximilian Brückner bekam dafür Sonderapplaus. Im Publikum blieben dagegen viele Wünsche offen. Mit Henrik Ibsens „Peer Gynt“ konnte Regisseur Christian Stückl im Volkstheater nicht an den Sensationserfolg des „Brandner Kaspar“ anknüpfen. Trotz des fabelhaften Maximilian Brückner als Titelheld und drastischer Komik fehlte der zündende Funke.
Die Inszenierung schleppte sich gegen Ende der drei Stunden nur noch mühsam dahin. Ibsen schrieb sein Hauptwerk „Peer Gynt“ 1867 als dramatisches Gedicht und arbeitet es erst später für die Bühne um. In seiner Disparatheit aus Volkstheater, Kabarett, Zeitsatire, Sagenwelt und pseudophilosophischem Schaumgebläse ist das Stück eigentlich unspielbar – an sowas reibt sich Stückl gern. Zudem ist der Fantast, Prahlhans und Abenteurer Peer Gynt eine Paraderolle für einen Komödianten wie Maximilian Brückner, der als Boandlkramer im „Brandner Kaspar“ brilliert.
Stückl, Brückner und die Jungen Riederinger Musikanten, die mit ihrer Blasmusik die Volksszenen aufpeppen, geben Peers norwegischer Bauernwelt einen bayerischen Touch. Ein Pappkarton auf dem Dach ist Peers Luftschloss, dort träumt er von seinem Kaiserreich. Bühnenbildner Alu Walter baute einen grauen Stall zwischen Wellblechwände, am Lichtmast hängt ein Telefon. Da besäuft sich Peer, wird verprügelt und auch mal kopfüber in den Misthaufen gerammt, wenn er seine Lügen zu weit treibt. Er entführt bei einer Hochzeit die Braut (Barbara Romaner), verirrt sich im Albtraum in die Trollwelt, die hier zur Proll-Welt italienischer Mafiosi wird, die ihn mit der Knarre zu Spaghetti nötigen, deren Sauce direkt aus einem Kuhhintern stammt. Immer wird er beschimpft und beschützt von seiner Mutter (Ursula Burkhart), die er vor ihrem Tod auf dem Moped nochmal um die Hütte fährt.
Bis zur Pause ist das derbes Volkstheater, nicht ohne Ekel- Drastik, und mit Slapstick-Einlagen, besonders von Gabriel Raab als tollpatschigem Bräutigam mit Groucho- Marx-Brille (Kostüme: Ingrid Jäger). Dann öffnet Ibsen der Klamotte und dem Klamauk Tür und Tor, und Stückl bedient das gern. Als reich gewordener Sklavenhändler und internationaler Geschäftsmann kredenzt Peer Champagner in der Wüste, wird mit Palmwedeln befächelt und lässt eine Kolonialband aufspielen. Gealtert, mit langem Zauselhaar und Bart (Maske: Renate Dorn) sieht Brückner aus wie ein Oberammergauer Passions-Christus, besonders, wenn er, ausgeraubt bis auf die Unterhose, von einer schönen Beduinin als Wüstenprophet verehrt wird. Da singt er schon mal einen Schlager zur Wasserpfeife, ehe ihn das Schicksal weitertreibt zur Sphinx und in ein Irrenhaus.
Brückners komödiantischer Spiellust assistieren die anderen Darsteller in wechselnden Rollen: Tobias van Dieken schnulzt als Entertainer „Buona sera, signorina“, Friedrich Mücke lässt als Aslak die Fäuste sprechen, Hubert Schmid ist ein bedrohlicher Brautvater und Andreas Tobias erscheint als Tod oder Teufel. Und souverän lächelnd wartet die liebende Solveig (Sarah Sophia Meyer) auf den Spätheimkehrer Peer. Aber bis der nach seinem Schiffbruch zu ihr finden darf, muss er noch quälend lange über sein wahres Selbst debattieren und wird mit einer Mistgabel im Kreuz an den Pranger gestellt – wie eine Vogelscheuche oder ein Gekreuzigter.
Gabriella Lorenz
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