Globale Pulsschläge
Neulich hat er mitten im Konzert die Schuhe gewechselt. „Die neuen schwarzen Schuhe, die meine Ma mir geschenkt hatte, haben sich auf dem Podium einfach zu rutschig angefühlt”, sagt Martin Grubinger. „Als Schlagzeuger brauche ich ja einen festen Stand. Als ich das gemerkt habe, habe ich einen Kollegen gebeten, mir meine Turnschuhe zu bringen.”
Doch für sein sein Programm sind Turnschuhe keine schlechte Wahl: „Planet Percussion” ist eine Schlagzeug-Reise durch alle Kontinente. Die Idee hat Martin Grubinger mit seinem ersten Lehrer entwickelt: seinem Vater, der auch Schlagzeuger ist. Mit Rhythmen von Salsa, Samba, Tango über African Drumming und japanischem Taiko-Drumming bis zu Strauss und Xenakis geht es einmal rund um den Planeten.
Primus inter pares
Dazu stehen neun Schlagzeuger an mehreren hundert Schlaginstrumenten aus aller Welt auf der Bühne des Gasteig, Blechbläser, Streicher und ein Klavier komplettieren das Ensemble. Es formiert sich im Lauf des Abends zu den unterschiedlichsten Besetzungen zwischen Kammermusik und Band. Die Musiker kommen aus Burkina Faso, aus Brasilien oder sonstwoher auf der Welt, sind also genauso international wie die Musik, die sie spielen.
Das Programm „Planet Percussion” war erstmals 2006 beim Bonner Beethovenfest zu hören – mit über sechs Stunden Musik. Seither hat der Abend sich weiterentwickelt und eine Form angenommen, die für den Konzertsaal und ein großes Publikum taugt. In Kurzform ist es inzwischen auch auf DVD erschienen.
Im Lauf der Zeit ist das Ensemble zusammengewachsen, in dem Grubinger sich nicht als Primarius sieht. Hierarchisches Denken ist ihm fremd, eher möchte er ein Primus inter pares sein. Alle bringen sich ein, Reihenfolge und Interpretation werden gemeinsam diskutiert. Wenn nötig, entscheidet Grubinger aber als letzte Instanz.
Das Schlagzeug ist erst mit der klassischen Musik des 20. Jahrhunderts wirklich groß herausgekommen ist. Das Programm stellt deshalb auch Zeitgenössisches vor. Komponierte Musik des 21. Jahrhunderts ist für Grubinger sehr wichtig, er sieht sich da auch als Vermittler. Für die nächsten Jahre werden Komponisten wie Rihm, Salonen, Eötvös und Tan Dun für ihn schreiben. Doch daneben finden sich zahlreiche Musik- und Stilrichtungen. Grubinger möchte beweisen, wie variabel das Klangspektrum seines Instruments ist.
Der Notenständer stört nur
Eine klassische Ausbildung hat Martin Grubinger absolviert, er spielte im Orchester, bevor er in die Solo-Karriere einstieg. Sehr jung ist er zum Star geworden. Seine stilistische Offenheit dürfte wie seine Turnschuhe auch ein Generationenphänomen sein: Alles ist verfügbar. Und Grubinger, Virtuose und Entertainer, greift zu. Seine Konzerte sollen begeistern, jeden einzelnen Zuhörer mitreißen. Darum spielt er meist auswendig: „Der Notenständer zwischen mir und dem Publikum stört mich!”
Mittlerweile ist er auch im Fernsehen zu sehen, für den BR moderiert er das Musikmagazin „KlickKlack”. Dass er sich auch gesellschaftspolitisch engagiert, findet er selbstverständlich: „Ich glaube ganz fest, dass man mit Musik etwas bewirken kann. Natürlich kann man nicht die Welt verändern. Aber wenn wir als multikulturelles Ensemble bei unseren Workshops mit Jugendlichen aus vielen Ländern arbeiten und sie begeistern können, dann haben die hinterher auch sehr viel mehr Respekt füreinander. Da haben es Parolen von rechtsaußen hoffentlich schwerer.”
Meist wird Grubinger als Multipercussionist bezeichnet, also als ein Schlagzeuger, der sich an die Instrumente aller Schlagzeuggruppen herantraut: „Auf Youtube sehe ich die tollsten Sachen, das ist unglaublich anregend und macht Lust, alles selbst auszuprobieren.” Ein besonders ungewöhnliches Instrument hat er allerdings im privaten Umfeld entdeckt: „Das war für ein Xenakis-Stück. Da habe ich aus der Waschmaschine meiner Großmutter die Waschtrommel ausgebaut. Klingt super!”
Philharmonie, Samstag (ausverkauft), Sonntag und Montag, 19.30 Uhr; Tel.936093