Gleichheit für alle
Morgen Premiere im Residenz Theater: Tina Lanik inszeniert Georg Kaisers expressionistisches Drama „Von morgens bis mitternachts“. Eva Jantschitsch komponierte dazu die Bühnenmusik
Gustav ist eine zierliche junge Frau mit langen schwarzen Haaren. Gustav ist der Künstlername der Wiener Popmusikerin Eva Jantschitsch – weil ihr Vater auf einen Sohn gehofft hatte, der Gustav heißen sollte. Zwei Alben hat Gustav herausgebracht: 2004 „Rettet die Wale“ und 2008 „Verlass die Stadt“. „Sie balanciert virtuos zwischen Pop, Kunst und Politik“, schrieb ein Kritiker. Nun hat Eva Jantschitsch die Bühnenmusik zu „Von morgens bis mitternachts“ von Georg Kaiser komponiert. Tina Lanik inszeniert das expressionistische Stationendrama im Residenz Theater. Lambert Hamel spielt den Bankkassierer, der mit viel Geld durchbrennt.
AZ: Frau Jantschitsch, wie kam es zu diesem Auftrag?
EVA JANTSCHITSCH: Die Regisseurin Tina Lanik hat bei mir anfragen lassen. Sie kennt meine bisherigen Alben. Bestimmte Themen vom letzten passen ganz gut zum Text von Georg Kaiser. Auch sound- und stimmungsmäßig kann man das gut kombinieren.
Wie lief der Arbeitsprozess?
Auf den ersten Blick fand ich den Text sehr schwierig, aber auf den zweiten Blick und während der Proben wurde er immer greifbarer. Die Sprache ist sehr bedeutungsschwanger. Mein Zugang zur Poetik ist eher abgeklärt und nüchtern. Ich wollte dem herzzerreißend geladenen Text etwas entgegensetzen, damit das Stück nicht so abhebt.
Spielen Sie live?
Nein. Ich habe Songs für die Übergänge zwischen den Stationen sowie einzelne Soundtracks komponiert und aufgenommen. Ich habe stark reagiert auf das, was ich bei den Proben gesehen habe, ich habe den Kontext des bewegten Spiels gebraucht.
Ihre eigenen Lieder sind sehr gesellschaftskritisch. Kommt Ihnen da das Stück entgegen?
Anfangs dachte ich, ja. Aber je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr entfremdet es sich von meiner künstlerischen Arbeit. Ich lese das jetzt als Psychogramm und habe die politische Komponente eher ignoriert, mich mehr auf die innere Befindlichkeit, den panischen Zustand der Hauptfigur gelegt.
Woher nehmen Sie das musikalische Material?
Ich mache viel am Laptop. Teilweise habe ich für Blaskapelle geschrieben, einmal beziehe ich mich auf die 20er Jahre mit Hanns-Eisler-Zitaten.
Sie haben aber nicht Musik, sondern Kunst studiert.
Ja, digitale Medienkunst. Ich komme von der visuellen Ebene. Aber irgendwann hatte ich Lust, was musikalisch zu gestalten. Ich bin eigentlich eine Dilettantin. Inzwischen ist es natürlich ein professionalisierter Dilettantismus. Als Kind habe ich Geige gespielt, und das so gehasst, dass ich sie mit 18 weggeschmissen habe, samt allem theoretischen Wissen. Ich kann nicht mal mehr Noten lesen. Mein Instrument ist der Laptop.
Sie sind erklärte Feministin. Wie formulieren Sie Ihr politisches Anliegen?
Um es auf das ganz Banale herunterzubrechen: Gleichheit für alle, ausnahmslos. Der Feminismus denkt immer alle marginalisierten Gruppen mit. Es geht nicht nur um den Kampf gegen sexistische oder rassistische Machtausübung, aber für mich fällt das alles mit rein. Das ist die Haltung, mit der ich mein Leben bestimme. Die Technik ist der Blick, der das reflektiert und nachfragt, warum im Alltag immer noch dieses Gefälle der Ungleichheit aufflackert.
In Österreich und Deutschland kennt man Sie vor allem in der alternativen Szene.
Ich bin ja kein Popstar, sondern eher in der Sub-Schiene, meine Musik ist nicht mainstream-zugänglich. Was ich als Gustav mache, ist ein Nischenprodukt. Eine sperrige Musik, die ein bestimmtes Publikumsfeld bewusst ausgrenzt. Ich mache keinen leicht konsumierbaren Pop, man muss schon mitdenken.
Sie schreiben politische Texte wie „Rettet die Wale und stürzt das System“.
Ich wollte nicht irgendwas von Liebe und Verlassensein singen. Das Schreiben war ein emanzipativer Akt für eine selbstbestimmte Künstler-Existenz. Ich habe mir eine politische Sprache angeeignet und kann als Sängerin Sprache als Waffe verwenden.
Wer ist Ihre Zielgruppe?
Immer ich. Jede Anklage, jede Kritik, jeder Zuspruch richtet sich immer erst an mich. Das Publikum ist letzten Endes nur eine Spiegelung.
Gabriella Lorenz
Residenz Theater, Samstag,19 Uhr, Tel.21851940
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