Glamour und Soldatengefühle

Zwei tragische Vergangenheiten: Viel Herz-schmerz und Kriegs-horror auf der Berlinale.
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Zwei tragische Vergangenheiten: Viel Herz-schmerz und Kriegs-horror auf der Berlinale.

Ein wenig Glamour und unbeschwertes Konsumkino brachte Rebecca Miller (46) mit der Kinoadaption ihres Romans „The Private Life of Pippa Lee“ außer Wettbewerb auf die ambitionierte Zeitspiegel-Berlinale. Da konnte man sich entspannt eine Soap in feinsten Kreisen gönnen. Wer den Roman kennt, mag ein wenig enttäuscht sein, wird aber unterhalten durch ironische Dialoge und ein Starensemble, das auch in Tränendrücker-Szenen animiert aufspielt.

Die Tochter des 2005 verstorbenen US-Dramatikers Arthur Miller, seit 1996 verheiratet mit Oscar-Schauspieler Daniel Day-Lewis, Filmemacherin und Autorin schildert in ihrem Romandebüt die schmerzhafte Emanzipation einer 50-Jährigen. Pippa (Robin Wright Penn) und ihr 80-jähriger Ehemann, der New Yorker Verleger-Doyen Herb Lee (Alan Arkin), sind nach dessen zweitem Herzinfarkt in eine Pensionärs-Enklave in Connecticut gezogen. Pippa ist eine Perfektionistin als fürsorgliche Gattin, Mutter zweier Karrierekinder und Gastgeberin für Künsterfreun-de. Dann entdeckt sie, dass sie als Schlafwandlerin unerhörte Dinge tut, ihr Mann sie mit einer jungen Lyrikerin (Winona Ryder) betrügt und sie sich endlich ihrer Vergangenheit stellen muss.

Bisschen viel

In den Rückblenden scheut Rebecca Miller nicht vor Splatterelementen zurück: Kindheit mit einer tablettensüchtigen Mama, orientierungslose Jugend in New York bei der lesbischen Tante und deren Underground-Muse (Julianne Moore), viel Sex & Drugs. Aber dann heiratete sie ja „Retter“ Herb Lee, nachdem sich dessen Gattin (Monica Bellucci) selbst effektvoll entsorgt hatte. Bisschen viel das alles, aber Pippa ist endlich bereit für ein neues Leben. Der spirituell begabte Nachbarssohn (Keanu Reeves) darf dabei sprichwörtlich ein wenig zur Hand gehen.

Unbequem mitreißend und gehaltvoll dagegen das Regiedebüt des 1969 in Tel Aviv geborenen und in New York lebenden Autoren Oren Moverman, der in „The Messenger“ eigene Erfahrungen verarbeitete. Traumatische Kriegserlebnisse und deren Verarbeitung thematisieren auffallend viele Beiträge der 59. Berlinale. Wie die Dänin Annette K. Olesen in „Little Soldier“ (eine junge Soldatin führt, zurück daheim, weiter Krieg gegen sich und ihre Mitmenschen), verzichtet auch Moverman klug auf Action-Rückblenden und konzentriert sich auf den Horror und Schmerz in den Seelen.

Ein trockener Alkoholiker

Dabei entwickelt Moverman psychologischen Tiefgang, sarkastisch-lapidaren Dialogwitz und Glaubwürdigkeit auch in sentimentalsten Momenten: So agieren, sprechen, verzweifeln, hoffen ech-te Menschen. Nach einem Militäreinsatz im Irak und Lazarett-Aufenthalten kommt Will (Ben Foster), ein sanfter, nachdenklicher Mann, zurück in die USA. Er muss noch drei Monate bei der Army dienen und wird ins Casualty Notification Office versetzt, wo er im Namen der Regierung die Angehörigen getöteter Soldaten verständigen muss. Zur Seite steht ihm der ältere Offizier Tony (Woody Harrelson), ein trockener Alkoholiker mit kindlicher Einsamkeit hinter großmäuliger Virilität. Es ist ein harter Job, der die Männer mit allen Varianten von Verzweiflung _ auch mit eigenen Schuldgefühlen, Ängsten und Traumata _ konfrontiert. Als Will beginnt, sich in eine Soldatenwitwe zu verlieben, macht Tony ihn derb lächerlich. Aber dann erkennt er, dass er so einen Kumpel wie Will nie hatte.

Moverman schafft intensivste Momente mitmenschlicher Wärme in einer Beiläufigkeit, die typisch ist für uneingestandene Gefühle. Die Liebesgeschichte bleibt offen. Will geht mit der jungen Frau ins Haus, um ihre neue Adresse nach dem Umzug zu bekommen.

Angie Dullinger

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