Gehörspülung mit grünem Tee
Lukaskirche: Jan Garbarek und das Hilliard Ensemble servieren eine Neuauflage ihres Erfolgs „Officium“
Grüner Tee mundet erst ab dem zweiten Aufguss. Dann, sagen die Anhänger, entfaltet er sein wahres Aroma und ja, seine Seele. Ansonsten sorgt Recycling eher für Fades. Also war Skepsis im Spiel, als sich „Officium“ mit dem Zusatz „Novum“ angekündigt hatte. Und die Münchner Fangemeinde wie im Déjà-vu in die restlos ausverkaufte Lukaskirche zog, um das CD-Programm live zu goutieren.
Bewährtes Grundrezept mit neuen Kräutern
Der Erfolg war halt gar zu schön vor 17 Jahren. Auch „Mnemosyne“ (alles ECM) lief famos. Verständlich, dass Jan Garbarek und das Hilliard Ensemble noch mal wollten. Sie waren schließlich die Ersten, die Alte Musik und Jazz, sprich: A-Cappella-Gesang und die Improvisationslinien eines Saxophons kombinierten. Eine delikate Grundrezeptur, die das Crossover-Quintett nun mit frischen Kräutern mixt: russisch-orthodoxen Gesängen, vor allem aber Arrangements des armenischen Komponisten und Musiksammlers Komitas Vardapet (1869-1935). Da tut sich Neuland auf in den Hymnen und Litaneien, deren Entstehungszeit so wenig auszumachen ist wie das Alter einer Ikone.
Und den Hilliards gelingt das schier Unmögliche: den Weihrauch in erträglichen Dosen zu halten. In ihrer immer noch beeindruckenden Präzision geben sie dem archaischen Klangnebel Kontur, formen nicht Fassbares, das Garbarek kurz vor der Himmelfahrt irdisch aufpfeffert. Genauso funktioniert die Umkehrung, verirren sich die klagenden Laute des Tenorsaxophons in dunklen Gängen, um von den Hilliards wieder in einen lichtdurchfluteten Klostergarten geführt zu werden.
Unaufgeregt ist das, nahe an einer Meditation. Wer sich drauf einlässt, schmeckt feinste Nuancen heraus. So, wie beim grünen Tee.
Christa Sigg
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