Gefrorene Revolution
Geschichte und Geschichten: Vier Gegenwartskünstler (re-)konstruieren „Goldene Zeiten“ im Haus der Kunst
Sehen so Heroen aus? Steven Claydon schuf für das Haus der Kunst eine Büste aus Gussschaum, die von ferne an ein Caesarenhaupt erinnert, bei dem Haarschopf und Lorbeerkranz eins geworden sind. Wäre das bart-umrankte Gesicht nicht durch einen gewaltigen Entenschnabel verfremdet, könnte man eine gewisse Ähnlichkeit mit Haus-der-Kunst-Direktor Chris Dercon erkennen. „Oberhalb des Lehms (ein Förster)“ nannte Claydon seinen Sockel-Helden, dem er einen feschen Lodenmantel umgehängt hat. Dercon, Münchens Chef-Conférencier der Gegenwartskunst, macht zumindest als Nebenerwerbs-Förster im Blätterwald eine gute Figur.
Doch ein eindimensionales Denkmal hatte Claydon nicht im Sinn, vielmehr fügt er vermeintlich naturkundliche, archäologische und volkskundliche Elemente zu rätselhaften Artefakten zusammen und konstruiert so eine fiktive Historizität. Der 40-jährige Brite ist einer der vier Künstler, die sich in „Goldene Zeiten“ mit der Kluft zwischen offizieller Geschichte und individuellem Erleben und Erinnerung, zwischen Story und History auseinandersetzen. Es tut einer Ausstellung aber selten gut, wenn der Überbau größer ist als die Einzel-Exponate. Was hier wohl auch deshalb passiert ist, weil zwei Kuratorinnen für vier Künstler Überbetreuung bedeuten. Zwar stürzten diese sich vor der Presse eifrig in den Diskurs, aber in der Schau bleibt zu wenig davon fassbar. Es ist auch keine sensationelle Erkenntnis, dass Geschichtsschreibung und Wirklichkeit selten wie Dichtung und Wahrheit beieinanderliegen.
Der Exil-Kubaner Diango Hernández (39) bezieht sich auf die unter Castro zur Diktatur gefrorene Revolution. Sein filigranes Konstrukt aus JFK-Fotos, Zeichnungen und zweckentfremdeten Möbeln blättert so würdevoll ab wie Havannas Paläste. Die Schweizerin Mai-Thu Perret (33) versenkt sich in ihrer Video-Installation in die tragische Biografie eines polnischen Avantgarde-Paares. Mehr als ein paar suggestive Bilder bleiben beim Betrachter allerdings nicht hängen: Für Perret ist das Leben der Anderen „Material“, und das merkt man ihrer prätentiösen Arbeit an. Und der Koreaner Sung Hwan Kim (34) zeigt erst ab 11. Februar seine nach dem Pippi-Langstrumpf-Prinzip haarsträubenden Film-Erzählungen.
Roberta DeRighi
Bis 11. April, täglich 10 bis 20 Uhr, Do bis 22 Uhr
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- Haus der Kunst