Futuristische Tradition

Auf Schloss Grafenegg am Tor zur Wachau hat der Wiener Pianist Rudolf Buchbinder ein ambitioniertes Festival gegründet
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Je höher man sitzt, desto besser klingt es vor Grafeneggs hypermodernem Wolkenturm.
Andreas Hofer 2 Je höher man sitzt, desto besser klingt es vor Grafeneggs hypermodernem Wolkenturm.
Der Pianist und Festivalgründer Rudolf Buchbinder
Peter Rigaud 2 Der Pianist und Festivalgründer Rudolf Buchbinder

Auf Schloss Grafenegg am Tor zur Wachau hat der Wiener Pianist Rudolf Buchbinder ein ambitioniertes Festival gegründet

Er hat seine Grundsätze: „Bei mir darf jeder spielen, was er will. Wenn ich dem Alfred Brendel vorgeschrieben hätte, welche Stücke er aufs Programm setzen soll, wäre nicht einmal ein müdes Lächeln die Antwort gewesen. Jeder soll sich mit dem präsentieren, was er am besten kann.“

Rudolf Buchbinders Musik-Festival in Grafenegg findet heuer zum dritten Mal statt. Der Ort ist, wie der Pianist und neuerdings auch Musikmanager schwärmt, „einzigartig“. 40 Autominuten von Wien entfernt, am Tor zur Wachau, entstand 2007 neben dem neogotischen Schloss der Familie Metternich-Sándor ein futuristischer Open-Air- Bau, genannt „Wolkenturm“. Er bietet 1750 Zuhörern Platz. Sollte es regnen, kann man ohne Umstände in einen erst im vorigen Jahr eingeweihten Konzertsaal im bewährten Schuhschachtel-Format umziehen. Beide Bauten fügen sich harmonisch in den 32 Hektar großen englischen Landschaftsgarten des Schlossareals ein. Fernreisende in Sachen Musik fühlen sich an Tanglewood, die Sommerresidenz des Boston Symphony Orchestra, erinnert. Man kann Picknick-Körbe buchen – sogar im Internet.

Ein Ensemble formen

Auch wenn sich die musikalische Speisekarte Grafeneggs nicht allzu sehr vom üblichen Festspiel-Angebot unterscheidet, legt man Wert darauf, wenigstens in Ansätzen eine Alternative zum musealen Konzertbetrieb aufzubauen. Nach Krzysztof Penderecki und Heinz Holliger wurde in diesem Jahr der Chinese Tan Dun als „Composer in residence“ engagiert. Krystian Järvi wird dessen „Paper Concerto“ dirigieren und sich damit auch als Chef des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich verabschieden, das sich Grafenegg zur Sommerresidenz auserkoren hat.

Nachfolger ist der Kolumbianer Andrès Orozco-Estrada (32). Ihm war vorbehalten, den Gala-Abend mit den Gesangsstars Joseph Calleja und Paata Burchuladze zu leiten. „Ein Wunschkandidat der Musiker“, verteidigt Johannes Neubert, der Geschäftsführer des Orchesters, die überraschende Entscheidung: „Järvi war der Richtige für die vergangenen fünf Jahre. Jetzt gilt es, ein Ensemble zu formen.“

Rudolf Buchbinder spielt oft in München.

Dass da noch einige Arbeit bevorsteht, war bei dem virtuosen Schnickschnack des bunten Opern-Potpourris zur Eröffnung unüberhörbar. Eine Klasse höher präsentierten sich 24 Stunden später die Stockholmer Philharmoniker. Rudolf Buchbinder musizierte locker und gelöst Beethovens drittes Klavierkonzert, der finnische Dirigent Sakari Obaramo kämpfte tapfer mit Schumanns dritter Symphonie.

Ob Wiener Philharmoniker, London Symphony Orchestra oder Andreas Scholl, für jeden Geschmack ist gesorgt. Danach beginnt auch für Rudolf Buchbinder wieder der Konzertalltag. In München musiziert er am liebsten im Prinzregententheater. Das Thielemann-Gerangel bedauert er: „In den großen Musikzentren spielt eben immer auch die Politik mit. Deshalb wäre für mich auch niemals ein Job in Salzburg in Frage gekommen.“ Für einen neuen Konzertsaal in der bayerischen Hauptstadt engagiert er sich mächtig: „Der Marstall wäre ein Traum. Die Kosten sind überschaubar. München macht sich hier wirklich lächerlich.“

Volker Boser

Bis 6. September. Infos und Karten unter www.grafenegg.at

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