„Frauen sind sexueller“

In seinem dritten Film „Married Life“ beschwört der US-Regisseur den Geist des alten Hollywood. Über Glamour, Drama und die Sehnsucht nach romantischer Liebe. Ein Interview mit der AZ.
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In seinem dritten Film „Married Life“ beschwört der US-Regisseur den Geist des alten Hollywood. Über Glamour, Drama und die Sehnsucht nach romantischer Liebe. Ein Interview mit der AZ.

Den Geist des alten Hollywood beschwört Ira Sachs in seinem neuen Film, ein hintersinniges Noir-Stück über einen Angestellten, der sich 1949 in eine Kriegswitwe verliebt und es nicht übers Herz bringt, seine Ehefrau zu verlassen. Bevor er sie verletzt, will er sie lieber umbringen. „Married Life“ ist der dritte Film des Regisseurs.

AZ: Mr. Sachs, „Married Life“ spielt im Jahr 1949 und erinnert an die Filme von Douglas Sirk, den film noir, Hitchcock.

IRA SACHS: Hitchcock war sicherlich eine Inspiration. Besonders „Shadow of Doubt“ oder natürlich „Vertigo“. Hitchcock war ein sehr humorvoller Regisseur, viele seiner Filme sind Satiren, wobei er sich trotzdem stets eine gewisse Leichtigkeit bewahrt.

Die moralischen Vorstellungen sind auch hier recht locker und modern: Für Harrys Frau Pat ist Sex die alles entscheidende Antriebsfeder.

Das Buch hat mich auch interessiert, weil es sich so zeitgenössisch anfühlte. Frauen waren immer leidenschaftlicher und sexueller, als in Filmen oder Büchern enthüllt wird. Es hat mir gefallen, einen Film über eine Frau zu machen, die über 40 ist und dabei sehr lustvoll. Patricia Clarkson brachte für die Rolle eine Art Freude Körperlichkeit mit.

Und Pierce Brosnan sah schon immer nach Old-Style- Hollywood aus, ein bisschen wie Clark Gable…

…oder Cary Grant. Pierce hat diese große Fähigkeit, seinen Körper für die Komödie einzusetzen. Er hat eine Leichtigkeit in seinem Benehmen, was sehr an den Charme der Schauspieler aus Hollywoods goldenen Zeiten erinnert.

Brosnans Figur Richard schaut sich im Kino „Pandora und der fliegende Holländer“ mit Ava Gardner an – der Film wurde erst 1951 gedreht.

Ich weiß, es ist ein Anachronismus. Damals gab es diese romantische Einstellung zum Kino, was ich sehr gerne mag. Anfangs interessierte ich mich mehr für den filmischen Realismus. Je älter ich werde, desto mehr begeistert mich das romantische Kino. Ich denke dabei auch an Fassbinder. Er hatte ein grundlegendes Verständnis von der Beziehung zwischen Realität und Fantasie im Kino. In den 40er Jahren hatte man Leute wie Joan Crawford oder Clark Gable, die diese larger-than-life-Figuren spielten, die dem Publikum aber gleichzeitig nah und alltäglich erschienen.

Heute fehlt der Glamour?

Ich denke, dass die Leute immer eine Fluchtmöglichkeit in Filmen suchten. Früher fanden sie das in der Weite von Ave Gardners Gesicht, heute entdecken sie es in der Größe der Explosionen.

Ihre ersten beiden Filme drehten Sie in Ihrer Heimat Memphis, dieser entstand in Kanada. Bewegen Sie sich damit weg von Ihrer Biografie?

Ja und nein. Ich mache nur Filme, die auch in mir etwas berühren. Ich bin ein schwuler Mann und war nie verheiratet. Trotzdem ist der Film sehr persönlich. Für mich bezieht sich der Ausdruck „Married Life“ auf jede intime, über eine längere Zeit andauernde Beziehung – was ich hatte.

Das Melodrama der 40er und 50er Jahre scheint eine besondere Anziehungskraft auf Schwule zu haben.

Das ist eine gute Frage. Was ich für relevant halte, ist die Natur von Geheimnissen. Ich denke, dass die meisten Homosexuellen an einen Punkt im Leben kommen, wenn sie etwas über geheimen Sex und versteckte Liebe lernen. Mit dem Alter merkt man, dass man sich von diesem Versteck entfernen muss, um ein gesundes Leben zu führen. Drama dreht sich immer um das, was verborgen wird. Da gibt es wohl eine Verbindung zwischen Schwulen und Figuren, die eine qualvolle Vergangenheit haben, weil sie sich darin erkennen können.

Das Melodram droht mit dem Bruch von Grenzen.

Und macht die Identifikation oft nicht einfach. Ich habe versucht, alle Charaktere mit demokratischem Gleichgewicht zu behandeln. Ein Teil der Suspense entsteht dadurch, dass man nicht weiß, mit wem man sich identifizieren soll: Dem Killer, seiner Frau, dem Freund, der Freundin? Und umso schlimmer: Niemand kommt ungeschoren davon.

Michael Stadler

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