Franz Xaver Kroetz: Geläuterter Grantler

Franz Xaver Kroetz spielt am Sonntag im „Polizeiruf 110“ einen Anarcho und spricht in der AZ über seine neue Karriere und sein zufriedenes Leben als Single
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Franz Xaver Kroetz spielt am Sonntag im „Polizeiruf 110“ einen Anarcho und spricht in der AZ über seine neue Karriere und sein zufriedenes Leben als Single

Gerade hat sich Franz Xaver Kroetz noch eine Wohnung in der Innenstadt angeschaut, denn München, seine Geburtsstadt, soll seine Heimat bleiben. Danach traf sich der 64-Jährige mit der AZ zu Weißbier und Tellerfleisch am Viktualienmarkt.

AZ: Herr Kroetz, wollen Sie jetzt tatsächlich zurück in die Innenstadt ziehen?

FRANZ XAVER KROETZ: Ich such’ schon seit längerem eine kleinere Eigentumswohnung für mich, weil mir der Weg raus nach Obermenzing manchmal beschwerlich ist.

Ist hier nicht zu viel Trubel?

Ich schlafe wunderbar, ohne Schlaftabletten. Mit drei, vier Bier stört mich nichts mehr. Ich ziehe ja nicht vollständig in die Innenstadt, das Haus in Obermenzing, der Chiemgauer Bauernhof – das alles bleibt. Und größtenteils lebe ich auf Teneriffa.

Im „Polizeiruf“ am Sonntag fliegt Jörg Hubes Double in die Luft – manche finden das pietätlos. Sie auch?

Es war natürlich schwierig, den Hube nach dem einen Film wieder rauszunehmen. Vielleicht ist der Zuschauer ja auch so intelligent, dass man das gar nicht gebraucht hätte. Es ist weder sehr appetitlich, noch sehr einfallsreich gewesen, glaube ich. Aber das ist ned mei Bier.

Sie spielen einen Hartz VI-ler, der in einem alten Wohnwagen lebt...

...der im Knast war, weil er irgendwelche Aufsichtsräte zu den prügelnden Entlassenen geschleppt hat. Geld ist ihm scheißegal, er schmeißt damit auf der Straße umeinander. Das hat mir gefallen.

Würden Sie auch zwei Millionen Euro auf der Straße verteilen?

Nein, ich würde mir die Wohnung kaufen, die ich mir heut’ angeschaut habe.

Werden wir Sie jetzt häufiger vor der Kamera erleben?

Mich langweilt die Schauspielerei nach einiger Zeit, nach fünf, sechs Drehtagen beginne ich innerlich renitent zu werden, denn als Schauspieler muss man dienen, tun, was andere sagen.

Aber das machen Sie doch bestimmt nicht wortlos, oder?

Doch, ich bin souverän und auch brav – als Schauspieler. Ich hab’ den Ruf, schwierig zu sein, aber ich bin professionell. Momentan habe ich drei Drehbücher auf dem Tisch.

Als Schauspieler sind Sie also sehr gefragt?

Das ist keine Kunst. Wir Alten werden nicht besser, wir werden nur weniger. Welche bayerischen Schauspieler gibt es denn noch über 60? Die san alle tot. Ich habe gut zu tun, nicht weil ich gut bin, sondern wegen der natürlichen Selektion, die einen wie mich an die Spitze katapultiert.

Haben Sie Angst vor dem Tod?

Ich habe fünf Kinder, und darunter welche, die noch in der Schule sind. Ich habe vor dem Tod Angst, weil ich mir wie die meisten Väter einbilde, dass ich noch wichtig bin für meine Kinder.

Ihnen ist egal, was man über Sie denkt, oder?

Das geht mir völlig am Arsch vorbei.

Und was Ihre Kinder von Ihnen denken?

Das ist mir wichtig. Aber die denken nur mittelschlecht von mir. Ich bin ein ganz guter Vater, je älter ich werde, um so schwächer werde ich, und desto frecher werden die Kinder. Ich werde immer noch gutmütiger.

Das Alter macht gutmütig?

Ja, denn das Streiten kostet zu viel Kraft. Ich stelle fest, ich werde konziliant, nur um meine Kräfte zu sparen.

Die Teller fliegen nicht mehr an die Wand?

Nein, ich habe mal meine schöne große Küche so zamgehaut, dass ich in der Früh keine einzige Schale mehr für den Kaffee gehabt habe. Das wäre mir heute nicht mehr möglich.

Sind die Jungen heute in Ihren Augen zu brav?

Ich bin jetzt 64 und habe das Gefühl, die Zeit ist eine Riesen-Kraft. Ich verstehe die 20-Jährigen heute nicht mehr. Die haben eine andere Sprache und sie haben mit ganz anderen Problemen zu kämpfen wie ich, als ich 20 war. Damals wurde man im Arbeitsamt bombardiert mit Angeboten – natürlich durfte man sich für nichts zu schade sein. Heute werden die Jugendlichen größtenteils gar nicht mehr gebraucht. Wir leben in einer kaputten, blödsinnigen Gesellschaft, in der die Alten die Jungen erdrücken. Mir tut die Jugend leid. Ich war früher Hilfsarbeiter, und mir bedeutet ein gutes Buch mehr als ein Rolls Royce. Ich habe zehn Welterfolge geschrieben und sehr viel Geld verdient. Das Gefälle zwischen dem, was ich gebraucht habe und dem, was reinkam, ist so groß, dass ich nicht mehr arbeiten müsste.

Aber Sie wollen?

Sonst wär’s langweilig.

Mit dem Schreiben ist’s bei Ihnen dennoch vorbei.

Ja, seit 2004. Ich habe keine Gier nach Bedeutung. Es gibt ja Leute, die haben senile Bettflucht. Ich habe das Gefühl, es gibt eine Reihe von Kollegen, die haben eine senile Arbeitssucht. Und fragen Sie nicht, ich nenne keine Namen.

Was macht Ihnen heute Spaß?

Ich beschäftige mich mit Theater, vor allem mit Theaterstücken. Ich lese sie, Aufführungen mag ich meist nicht. Es gibt nichts Blöderes als die Verheutlichung von Theatertexten. Damit nimmt man ihnen jede Wurzel. Mich interessiert, welche Tabus hat der Autor in seiner Zeit gebrochen. Heute ist das alles kalter Kaffee, da kann man alles machen. Gerade beschäftige ich mich mit Schiller und Johann Wolfgang von Goethe und warte auf ein Angebot, mal wieder ein Stück zu inszenieren. Ich hätte Lust, ein Zirkusprogramm oder eine Modenschau zu machen. Für den Theatermacher, den Showmacher Kroetz aber interessiert sich momentan kein Schwein.

Haben Sie am Mittwoch ManU gegen Bayern gesehen?

Mein Jüngster ist 14, und trotz größter gegenseitiger Liebe haben wir wenig gemeinsame Gesprächsthemen. Mein Sohn ist der wahrscheinlich glühendste Bayern-Fan. Also interessiere ich mich jetzt in meinen alten Jahren für Fußball. Und weil mein Sohn so schlecht aufgelegt ist, wenn der FC Bayern verliert, bete ich zu Gott, dass diese reichen, unsympathischen Zweibeiner gewinnen, damit mein Sohn nicht deprimiert ist. Und wir schauen uns, wenn ich auf Teneriffa bin, gemeinsam „Die Simpsons“ an. Die finde ich großartig, da ist alles drin, was das Leben bietet.

Wird man im Alter weiser?

Nein, mit dem Alter verblödet man automatisch. Das Chaos, das der Zerfall in einem anrichtet, wiegt schwerer als die Erfahrungen, die man gemacht hat. Ich persönlich spüre den Abbau und die sanfte Vertrottelung ganz stark. Ich bin eigentlich gesund, habe aber in den Knien Arthrose, Asthma, Tinnitus – leck’ mich doch am Arsch, was ich alles hab’.

Gleichaltrige Frauen interessieren Sie nicht, haben Sie einmal gesagt.

Der Kern der Sache ist, dass wir Männer mit dem Alter nicht zurecht kommen. Wir sitzen in der Sauna und finden uns so was von eklig. Daraus entwickeln wir eine Suche nach Befreiung. Und komischerweise, wenn eine Frau, die 20, 30 Jahre jünger ist, mit dir altem Sack geht – auch wenn nur wegen der Kohle – dann gibt sie einem ein Gefühl des Jüngerseins.

Gibt’s denn eine Frau in Ihrem Leben?

Nein, ich lebe sehr gerne mit mir alleine.

Sie sind nicht auf der Suche?

Ich habe meine Frau sehr geliebt. Sie hat sich scheiden lassen, ich wollte das nicht. Die Zeit nach der Trennung 2005, wenn man auf den Markt zurückkommt, auf dem man nie eingekauft hat, da will man sehen, was man wert ist. Man sammelt Erfahrungen, um sich zu bestätigen, dass man als Mann noch da ist. Aber seit zwei Jahren lebe ich alleine.

Und es fehlt Ihnen nichts?

Ich bin sehr zufrieden mit meinen Leben. Ich habe auch mit meinem lieben Freund Joseph Vilsmaier gesprochen, mit dem ich bald wieder drehe. Als dem Sepp die Dana gestorben ist, hab’ ich ihn gefragt: Was machen wir zwei Alten jetzt? Und er hat gesagt: „Schau’ mich an, ich würd’ schon eine kriegen, aber wegen was? Weil sie eine Rolle will, weil sie mein Geld will, aber mich will’s nicht. So blöd bin ich nicht.“

Und mit Humor nimmt’s sich leichter?

Genau, und wissen Sie, ältere Frauen bringen ihre Erfahrungen mit, und ich hab’ überhaupt keinen Bock auf noch mehr ältere Erfahrungen.

Wir haben noch gar nicht über Politik geredet.

Ich reg’ mich nach wie vor auf, und ich sag’ das immer, aber es wird nie gedruckt. Meine politische Meinung für die Deppen kurzgefasst: Mir ist Angela Davis allemal no beim Arsch lieber wie Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Angelika Kahl

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