François Ozons kriminelles Meisterwerk "Mein fabelhaftes Verbrechen"
Mit seinem Produktionstempo kommt er fast an Chabrol heran - und auch der galt als "Frauenregisseur". Seit 1998 hat der 55-jährige François Ozon 22 Langfilme inszeniert. In der neuen boulevardesken Krimikomödie spielt er souverän mit Elementen der Screwball-Comedy der 30er und 40er Jahre, geht zurück in das Jahr 1935 nach Paris und perfektioniert detailreich die Kunst der Lüge.
Madeleine Verdier (Nadia Tereszkiewicz), eine junge und hübsche, leider talentlose Schauspielerin, wird des Mordes an einem berühmten Filmproduzenten angeklagt. Sie beteuert zwar ihre Unschuld, aber dann entwickelt sie gemeinsam mit ihrer Wohngenossin Pauline (Rebecca Marder), einer arbeitslosen Anwältin, einen tollen Plan: sie wird fälschlicherweise die Tat zugeben. Die Freundin wird sie vor Gericht verteidigen: Es war Notwehr, weil der geile Typ ihr an die Wäsche und sie brav ihre Unschuld wahren wollte. Sie sei dabei in letzter Minute geflohen. Der Prozess soll für mediales Aufsehen - und damit endlich für lukrative Rollenangebote sorgen.
Das Kalkül funktioniert, nach dem erwarteten Freispruch kriegt die Aktrice Offerten ohne Ende, von der kalten Kammer geht's für die Mesdemoiselles ab in die Luxussuite, wo ständig Blumenbouquets eintrudeln und Personal herumwuselt. Auch Pauline profitiert als Juristin vom skandalösen Fall. Dumm nur, dass sich plötzlich die wahre Täterin bei ihnen meldet: Odette Chaumette (Isabelle Huppert), eine ehemalige Stummfilmdiva, die mithilfe der Damen ein Karriere-Revival anpeilt - und wenn die nicht spuren sollten, kann man ja die Wahrheit publik machen.
Schon lange wollte Ozon eine Geschichte um eine falsche Beschuldigung erzählen und entdeckte dann das Theaterstück von Georges Berr und Louis Verneuil von 1934. "Mein fabelhaftes Verbrechen" ist der dritte Teil einer lockeren Trilogie über den Status der Frau - nach der in den 1950er Jahren angesiedelten Muscical-Komödie "Acht Frauen" und der in den 1970er Jahren verorteten Satire "Das Schmuckstück".
Auch in seinem neuen Coup halten dominierende Frauen das Heft des Handels in der Hand. Humor und eine Prise Glamour dürfen nicht fehlen, und die ganze #MeToo-Debatte lässt in dieser modernen Filmadaption grüßen.
Zwar wurde der gesellschaftliche Kontext der 30er Jahre behalten, aber aktuelle Bezüge zum Machtverhältnis zwischen den Geschlechtern in der heutigen Kultur-, vor allem der Theater- und Filmbranche, eingefügt. Nicht verbissen-ideologisch, sondern süffisant-unterhaltend wird in Rebeccas Plädoyer vor Gericht überzeugend Frauenverachtung, mangelnder Respekt, ungleiche Behandlung sowie die Unfähigkeit einer im Denken und Handeln männlichen Justiz angeprangert. Der Gerichtssaal wird zum Ort der Entlarvung einer patriarchalischen Gesellschaft, die sexuelle Belästigung duldet. Dagegen ziehen Frauen ihre Waffen, umgarnen die Herren, um ihr Ziel zu erreichen und lassen sie dann fallen.
Ausstattung, Kostüme, Musik und intelligent-pointierte Dialoge - alles ist top. Neben Tereszkiewicz als scheinbar naives Blondchen, das es faustdick hinter den Ohren hat, und Marder als Brunette mit scharfem Verstand, trumpft eine herrlich zickige, berechnende Huppert mit Macken à la Sarah Bernhardt auf, die dem letzten Drittel der rasanten Handlung noch mal einen Höhenflug verpasst und beweist: Frauen sind keine Engel.
Fabrice Luchini als verklemmter Untersuchungsrichter, für den Weibsbilder wie Madeleine eigentlich auf den Scheiterhaufen gehören, Dany Boon als charmanter und bestechlicher Architekt, Édouard Sulpice als Söhnchen aus gutem Haus, der sich Madeleine nach einer standesgemäßen Hochzeit als Geliebte halten möchte, und André Dussollier als sein verlogener, bourgeoiser Vater: alle sind wunderbar geführt und in Top-Form. Mit seinem cineastisch verzaubernden Meisterstück voller Süffisanz und Eleganz, Lässigkeit und Fantasie entlässt uns François Ozon selig aus dem Kino.
K: Solln, Rex sowie ABC, Arena, Maxim, Isabella (auch OmU) und Theatiner (OmU)
R: François Ozon (F, 102 Min.)
Diskreter Charme der Lüge
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