Feierliche Begegnungen

In München trank er seinen ersten Sekt auf eigene Kosten und lernte die Schule der Politik kennen: Wie prägend Hermann Hesses Aufenthalt in der Landeshauptstadt war, zeigt das Literaturhaus
Amina Linke |
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In München trank er seinen ersten Sekt auf eigene Kosten und lernte die Schule der Politik kennen: Wie prägend Hermann Hesses Aufenthalt in der Landeshauptstadt war, zeigt das Literaturhaus

Montagnola, Monte Verità – München: Hermann Hesses Biografie – grob gefasst – rückwärts. Die Stationen des Schriftstellers und Dichters in der Schweiz sind bekannt. Nicht zuletzt durch seinen Aufenthalt in der lebensreformerischen Künstlerkolonie auf dem Tessiner Wahrheitsberg in Ascona.

Wenn man will, findet man Hesse dort auch heute noch. Anders in München. Zeitdokumente über seine Besuche in der Landeshauptstadt gibt es bis auf Hesses Schriftverkehr wenig. Und vielen ist seine Verbindung zu München auch nicht bewusst. Die Ausstellung „Hermann Hesse und München“ soll das jetzt ändern.

„Wie hat Hesse München wahrgenommen, welche Bekanntschaften hat er gepflegt – das wollen wir hier darstellen“, sagt Reinhard Wittmann, Chef des Münchner Literaturhauses. Bis zum 11. August kann man nun durch Hesses weiß-blauen Lebensabschnitt wandeln, Privatfotos betrachten sowie Zitate, Briefverkehr und Zeitungsausschnitte lesen – und sich wundern: Hesse, der melancholisch-depressive Geist, hatte auch andere Seiten.

So feierte er ausgelassen 1906 drei Faschingsnächte in München durch und versoff sein ganzes Honorar. „Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich sogar Sekt auf eigene Kosten trank“, sagt Hesse später. Gelebt hat er allerdings in dem abgelegenen Dörfchen Gaienhofen am Bodensee. Bis 1912 genoss er hier das einfache Leben, die ländliche Ruhe.

„Eine Zeit der Orientierung“, sagt Wittmann. In der Hesse aber auch das „großstädtische Leben“ anpeilte und so in den acht Jahren insgesamt über 50 Tage in München weilte. Hesse traf hier Thomas Mann und Samuel Fischer, machte Bekanntschaft mit dem Maler Rudolf Sieck, dessen Bilder auch im Literaturhaus zu sehen sind, – und Olaf Gulbransson. Die Einladungen des norwegischen Karikaturisten waren wohl die folgenschwersten. Zumindest aus gesundheitlicher Perspektive. Whiskey und „dergleichen starke Dinge“ waren bei Gulbransson Pflichtgetränke, so dass Hesse zeitweise seine Produktivität gefährdet sah.

Regelrecht angekurbelt wurde die allerdings von Ludwig Thoma. Der beißig-kernige Schriftsteller war in München Hesses treuer Begleiter und führte ihn in die Welt des „Simplicissimus“ ein. Hesse schrieb für die satirische Wochenzeitschrift über 150 Beiträge, die ebenfalls im Literaturhaus ausgestellt sind.

Von 1907 bis 1912 gab Thoma mit Hesse dann die Kulturzeitschrift „März“ heraus. „Diese Zeit war eine Schule der Politik für Hesse“, sagt Wittmann. „Eine bewusstseinserweiternde Erfahrung – auch für seine spätere Entwicklung.“ München hat in Hesses Leben also durchaus eine Rolle gespielt – auch wenn es an den Mythos des Monte Verità wohl nie heranreichen wird.

Literaturhaus, bis 11. August, literaturhaus-muenchen.de

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