Fast die Quadratur des Kreises
Der Pianist Nikolai Tokarev und das Orchester von Monte Carlo unter Yakov Kreizberg im Gasteig
Fazil Say versuchte es spontan und sportlich. Dann verwandelte Ivo Pogorelich das Tschaikowsky-Konzert Nr. 1 denkwürdig in eine düstere Tragödie. Innerhalb von drei Wochen griff mit Nikolai Tokarev nun schon der dritte Pianist diesem gefährlichen Reißer in den Rachen.
Tokarev glückte die Quadratur des Kreises aus Glanz, Kraft, Empfindung und Eleganz. Er hielt das Maß, das man in Tschaikowsky-Aufführungen oft vermisst. Die Oktaven am Anfang donnerten so staunenswert mühelos, dass sie fast spielerisch wirkten. Dann stürmte Tokarev voran, ohne je ins Stolpern zu geraten und bei den Läufen im Finale schwindeln zu müssen, dessen Thema er stärker als üblich, aber im Einklang mit der Partitur akzentuierte.
Nahe am Ideal
In seiner Genauigkeit kam Tokarev dem Ideal nahe. Allerdings ritt ihn im Kopfsatz ein seltsamer Teufel: Unmittelbar vor der Kadenz, wenn sich Klavier und Orchester einen harten Schlagabtausch der Akkorde liefern, donnerte er einfach mit dem Orchester mit.
Das vorzügliche Orchestre Philharmonique de Monte Carlo unter Yakov Kreizberg trug mit oft unterschlagenen Bläser-Nebenstimmen viel zum Gelingen bei. Der Dirigent versuchte die Bizarrerie vom Rachmaninows Symphonie Nr. 2 gar nicht erst zu verheimlichen. Weil er mit dem Orchester das Stück auch vor dem kompakten Mischklang rettete, kam diese Aufführung einer Neuentdeckung gleich.
Robert Braunmüller
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