Fantastische Lebensspiele
Philosophisch, träumerisch, geistreich, erotisch: „Mr. Nobody“ von Jaco van Dormael
Leben wir nicht alle ein bisschen im Irrealis: Wenn ich damals ..., dann wäre ich jetzt ...! In Tagträumen erinnern wir uns zurück an Momente, in denen alles auch anders hätte laufen können. Und plötzlich würden wir – statt mit der ruhigen Zuverlässigen – mit der Schulschönheit von damals heute drei Kinder haben oder mit der geheimnisvollen Melancholischen aus dem Tanzclub leben.
In „Mr. Nobody“, dem fantastischen Film von Jaco Van Dormael (von dem auch „Toto der Held“ stammt), spielt ein 119-jähriger Mann in seinem letzten Interview diese erotischen Alternativen seines Lebens durch. Dieser Nemo Nobody lebt als letzter Sterblicher aus dem 20. Jahrhunder in einer Welt, die den Tod mit einer „Stammzelltherapie“ ausgeschaltet hat.
So ist „Mr. Nobody“ eine unsere Fantasie beflügelnde Reflexion über Leben, Zufall und Möglichkeiten, ein zeitnaher Science-Fiction wie Terry Gilliams „Brazil“, der unsere aktuellen Sterilitäts- und Lebensentfremdungs-Tendenzen weiterdenkt – und ein wunderbar erotischer Film. Weil es doch Liebe und Sex sind, die wir am liebsten durchträumen.
Das Schöne an der wilden Filmkonstruktion von Jaco Van Dormael (Interview Kino-Stadt, Seite 5) ist, dass sich die Frage, was Wahrheit ist und was Schein, sich letztlich als unwichtig herausstellt. Denn auch Fantasien sind ja Teil unseres Wesens und somit auch Wirklichkeit.
Was wie ein kompliziertes philosophisches Spiel klingt, kommt als Film äußerst leicht daher, überästhetisch, farbintensiv und vom Popstar Jared Leto („30 Seconds from Mars“) charmant durchgespielt mit sexy Unterstützung von Diane Kruger, Sarah Polley und Linh-Dan Pham. Wer wieder einmal geistig anregend im Kino träumen will, muss „Mr. Nobody“ sehen.
Adrian Prechtel
Kino: Atlantis (in OmU), City, Monopol Kino
B & R: Jaco Van Dormael
K: Christophe Beaucarne
(D, F, B, 130 Min.)
- Themen:
- Erotik