Fans don't dance
Kohl-Ära, Dorfdiscos, schwarze Schnabelschuhe, wenn man die Augen schließt: The Cure spielen in der Olympiahalle und können die in die Jahre gekommenen Fans nach einem öden Start mit zeitlos wuchtigen Musik-Meilensteinen begeistern.
Für die meisten der treuen männlichen Fans hat die Natur das Frisurenproblem vor einem Konzert von The Cure schon verflüchtigt, nur Sänger Robert Smith trägt noch den Wischmopp. Wenn man die Augen schließt, dann entführt seine geradezu erschreckend unveränderte Stimme in die Zeit der Kohl-Ära, Dorfdiscos, schwarzen Schnabelschuhe und der ungeheuer idiotischen Tanzstile. The Cure sind reine Musikgeschichte, denkt man.
Die Weltverneinungshaltung der Fans lässt sich heute höchstens noch in den vereinzelt aufglühenden Zigaretten im Rauchverbotsrund der gut gefüllten Olympiahalle erkennen. Der Konzertbeginn wirkt wie ein Nichtangriffspakt: Keine Bewegung auf der Bühne – und keine davor. Die Band arbeitet sich mit betont rockigem Sound durch altbekanntes Material, eingestreut ein paar Song aus dem in einigen Monaten erscheinenden Album. Ziemlich erfolglos, abgesehen vom kurzzeitig gefeierten „Lullaby“.
Auf den Rängen herrscht bisweilen eine Stimmung, als halte Robert Smith eine Statistik- Vorlesung auf Aramäisch. Doch das ist nur die Ruhe vor dem Sturm. Wachgeküsst von den „Lovecats“ kommt das Publikum in den letzten 70 Minuten dieses 3-stündigen Konzertabends doch noch auf Touren. The Cure streift im grandiosen Finale durch ihr riesiges Hitreservoire – von „Close to Me“ über „Boys Don’t Cry“ bis „Show Me“.
Aber es sind noch immer die zeitlos wuchtigen Meilensteine wie „Killing An Arab“, „Forrest“ oder „10.15 Saturday Night“, die einem Cure- Konzert die besondere Note verleihen. Das vor drei Jahrzehnten gelegte Fundament ist das künstlerisch stabilste. Volker Isfort
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