Ewiges Leben

Das Deutsche Theater zeigt im Fröttmaninger Zelt eine temporeiche Aufführung der legendären Rockoper „Tommy” von The Who
Robert Braunmüller |
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Wer das über 40 Jahre alte Konzeptalbum „Tommy” der damals als Radau-Combo geltenden The Who wieder auflegt, ist ein wenig enttäuscht. Es schmeckt nach Prä-Punk von Musterschülern oder von den Beatles verworfenen B-Seiten. Sorry, Pete Townsend!

Aber gottseidank, auch Musicals – Pardon, Rock-Opern! – können neu interpretiert werden. Die Band im Deutschen Theater spielt rockiger als ihre Ahnen, und als Soundtrack einer mit Tempo erzählten Geschichte ist die alte Platte ganz ausgezeichnet.

Die Inszenierung von Ryan McBryde beginnt mit ein wenig Geschichtsnachhilfe zu deutschen Luftangriffen auf London und der tristen Wirklichkeit bei den britischen Weltkriegssiegern nach 1945. Die Handlung wäre noch gegenwärtiger, wenn man Tommys Vater zu einem Afghanistan-Heimkehrer modernisiert hätte. Aber die Grundfrage der Oper „Wie bringt man ein gestörtes Kind zum Funktionieren” dürfte ein noch viel zäheres Leben haben als der Rock der späten Sechziger.

Die Bühne verwandelt sich mit der Hilfe von ein paar Requisiten rasend schnell vom Wohnzimmer über ein Krankenhaus in eine Flipperhalle. Leo Miles (Tommy) hat eine helle, scharf-nervöse Stimme, die bestens zur neurotischen Figur passt. Seine starken Mitstreiter singen und tanzen um ihr Leben. Das reißt mit.

Nach der Pause verwirrt die anfangs als Rückblende erzählte Geschichte, weil der Umschlag in einen Wunschtraum nicht mit der nötigen Deutlichkeit gezeigt wird. Tommys Verwandlung in einen Guru drosselt das Tempo weiter. Zuletzt weist er sich selbst auf ewig in die Psychiatrie ein. Würde er von Männern in weißen Kitteln weggebracht, wäre das ein besserer, verstörenderer Schluss.

Im Unterschied zur gutbürgerlichen Oper fehlen Übertitel. Aber man versteht die in bester englischer Theatertradition klar erzählte Aufführung auch als Pantomime. Und wer es ganz genau wissen will, kann sich vor diesem lohnenden Ausflug in die nördliche Stadtbrache den „Teacher’s Support Pack” herunterladen und in der U-Bahn lesen.

Bis 24. 4., Di – Sa 20 Uhr, Sa, 21.4., auch 15 Uhr, So 19 Uhr im Deutschen Theater. Am 24. 4., 18.30 Uhr, Musikalische Lesung mit Christoph Geisselhart aus seiner Who-Biografie „Maximum Rock”. Eintritt nur mit Reservierungsticket, erhältlich an der Tageskasse Hbf. und unter der Hotline Tel. 55 234 222

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