Es ist schon sehr einsam an der Spitze
Die Ironie im Pathos: Ursli Pfister gastierte mit seiner Hommage an Randy Newman am Volkstheater
Christoph Marti alias Ursli Pfister ist ein Derwisch ohne Pausenbedürfnis, ständig unter Strom, bereit für die Pose, die schamlose Eröffnung, den knalligen Gag. Sei es, dass er bei seinen Gastspielen im Volkstheater erzählt, wann und wo und wie er als 16-Jähriger mit texanischen Jünglingen (darunter ein Priestersohn) geschlafen hat, sei es, dass er sich von seinen drei Showgirls auf einen Elektrischen Stuhl (zum Song „Better Off Dead“) spannen lässt.
Möglichkeiten für überdrehte, campige Späße findet Ursli überall und nutzt sie auch bei seinem Solo-Programm „American Dreams“ ohne Gnade. Eine laute Form des Humors, was gar nicht passen mag zu Randy Newman, dem Ursli eine shownebelverhangene, in Bühnenweiß getauchte Hommage widmet. Der US-Songwriter mit der näselnden Stimme hält mit seinen bösen Absichten eher hinter dem Berg, versteckt sie unter dem Plätschern des Ragtimes und des Blues, so dass der Zuhörer schon genau auf die Texte hören muss: Wie Newman eine „Love Story“ erzählt, das „You and me“ im Refrain so oft wiederholt, bis die Pathologie der Liebe hervorscheint, wie er von der Hochzeit einen Bogen spannt bis zum Heim in Florida, wo das Paar von seinen Kindern hingeschickt wird, damit es dort Dame spielt und stirbt.
Solch eine Demontage bürgerlicher Träume kostet Ursli genüßlich aus, wobei bei ihm die Ironie nicht im Understatement, sondern betonten Pathos liegt, vorgetragen mit nur selten gezügelter Stimme. Dazu erzählt er von seinen USA-Erfahrungen, wie er als Austauschschüler in Texas von der Football-Mannschaft vermöbelt wurde und sich doch etablieren konnte, weil er beim Gedichtwettkampf einen Pokal gewann. Nicht der einzige Sieg. Später wird Ursli alle Trophäen auf dem Klavier von Johannes Roloff aus- und wieder einpacken. Im Außenseiter, der wegen seiner Kreativität gewinnt, findet Ursli Pfister seine Schnittmenge mit Randy Newman, „It’s Lonely At The Top“ singt er als Zugabe, einer dieser unverschämt guten Nicht-Hits des Amerikaners. Pfister verbeugt sich danach mit seinem Pianisten. Newman hat diesen Song immer alleine am Klavier gesungen.
Michael Stadler
- Themen: