Erweckung in Bärenhosen
Egal, ob Zelten im eisigen Grönland oder Schlager trällern im Stadl – Allzweckwaffe Markus Lanz, der seinen Vertrag beim ZDF eben um drei Jahre verlängert hat, ist noch vielseitiger, als wir dachten
AZ: Herr Lanz, Sie treten in zwei Wochen beim Musikantenstadl auf. 2001 haben Sie bereits den Südtiroler Vorentscheid zum Grand Prix der Volksmusik moderiert. Schlummert in Ihnen eine versteckte Leidenschaft, von der wir noch nichts wissen?
MARKUS LANZ: Dass ich mitmache, liegt vor allem an Andy Borg, dem ich sehr zugetan bin. Und ich Freude mich, in meiner Heimat Südtirol zu sein, der Musikantenstadl findet ja in Bozen statt. Eigentlich wäre ich beleidigt gewesen, wenn er mich nicht eingeladen hätte.
Sie singen mit Andy Borg den Schlager „Rote Lippen sollst du küssen“. Weil Sie mit der Volksmusik dann doch Berührungsängste haben?
Um Gottes Willen, nein! Ich hatte als Schüler mit meinem Bruder eine Band. Wir haben nicht nur die Charts rauf- und runtergespielt, sondern auch Schlager wie Andy Borgs Riesenhit „Adios Amor“, wenn Busladungen mit deutschen Senioren ankamen. Wir waren jung und brauchten halt das Geld.
Sie haben die deutschen Touristen mit Musik empfangen?
Ja. Das heißt: nein. Denn wir waren nicht die armen Almöhi-Buben in Lederhosen.Wir wurden für bunte Abende gebucht und haben von „Adios Amor“ bis hin zu den Pet Shop Boys alles Mögliche zum Besten gegeben. Die Freude über die Pet Shop Boys hielt sich bei den Senioren allerdings in Grenzen. Die Flippers dagegen kamen mördermäßig gut an.
Hatten Sie damals eine Musikkarriere geplant?
Ja, mein Bruder und ich wollten aber nie Popstars werden, sondern Produzenten. Mir war schon damals klar, dass es schlauer ist, im Studio zu sitzen, den Regler zu schieben und dann zu sagen: Das ist meine Kontoverbindung, statt auf der Bühne den Hampelmann zu machen. Das haben wir aber nicht hingekriegt.
Aus Ihnen ist ja trotzdem was geworden.
Na ja. Ich hab mir irgendwann drei Dinge vorgenommen: Ich wollte ein Lied in den Charts haben. Das habe ich geschafft. Als ich noch Volontär bei Radio Hamburg war, habe ich den Protestsong „Fuck Chirac“ komponiert, 1995 während der Atomtests im Südpazifik. Noch heute kommen immer mal wieder ein paar Cent-Beträge an Gema-Gebühren bei mir an. Dann wollte ich ein Buch in der Bestsellerliste haben, auch das hat geklappt. Jetzt fehlt nur noch die aufwändige Tierdoku, die ich immer drehen wollte.
In Grönland haben Sie es ja mit jeder Menge Tieren zu tun, das Buch zu Ihren Reisen ist gerade erschienen und im Oktober zeigt das ZDF eine Doku. Was fasziniert Sie an diesem Land?
Das Spannende sind die Menschen. Die Innuit zu treffen, ist für mich jedes Mal ein Erweckungserlebnis. Je öfter ich nach Grönland reise, desto mehr Fragen entstehen im Kopf. Faszinierend, dass dieses kleine Volk in der Lage war und ist, dieser eisigen Weite eine Existenz abzuringen.
Wie hält man die Kälte aus?
Man muss sich psychisch darauf einstellen. Wenn Wind aufkam, hatten wir minus 35 Grad. Aber ich habe auf früheren Reisen viel kältere Winter erlebt. Anfangs dachte ich, ich sei mit meiner Goretex-Kleidung bestens ausgestattet. Die hat aber nichts gebracht. Das einzige, was bei dieser Kälte hilft, sind natürliche Materialien: Häute und Fälle. Da ist die Frage nicht mehr, ob das politisch korrekt ist, sondern: Erfrierst du oder nicht? Als ich die Menschen das erste Mal in ihren Eisbärfell-Hosen sah, dachte ich, die wollen Touristen beeindrucken. Wenig später zog ich sie selber an, weil mir so kalt war. Und in die Bärenschuhe steigt man am besten barfuß – dann wärmen sie am besten!
Was erleben Sie auf Ihren Grönland-Reisen?
Ich war im Sommer mit meinem Sohn in Nordgrönland zelten. Von da bis zum Nordpol gibt es nur noch Eis. Wir fuhren mit den Jägern raus in ihre Sommercamps, schliefen im Zelt und tranken Wasser vom Gletscher – aus 10000 Jahre altem Eis! Morgens sahen wir manchmal aus dem Zelt, und vor unseren Augen zogen 20, 30 Narwale vorbei. So nah, dass wir sie schnauben hörten und das mächtige Horn sahen. Man nennt den Narwal das „Einhorn der Meere“.
Würde Ihr Sohn nicht lieber nach Mallorca fahren?
Das gefällt ihm auch. Aber Kinder suchen den Kontakt zu anderen Kindern. In Grönland sind mittlerweile richtige Freundschaften entstanden. Und das Gefühl von Freiheit kann ein Kind in der Stadt so nie haben. Dort ist das Leben weit ungefährlicher als in Köln. Es gibt keine Autos. Wenn mal jemand vorbeikommt, dann ein Jäger auf dem Hundeschlitten.
Angelika Kahl
TV: „Musikantenstadl“, ARD, 18. September, 20.15 Uhr; „Sehnsucht Grönland“, ZDF, 5. Oktober, 20.15 Uhr.
Buch: „Grönland. Meine Reisen ans Ende der Welt“, National Geographic, Bildband, 304 Seiten, 39,95 Euro