Erotische Entkleidung, nur leider unvollständig

Salzburger Festspiele: Mozarts „Cosi fan tutte“ in Claus Guths Regie
von  Abendzeitung

Salzburger Festspiele: Mozarts „Così fan tutte“ in Claus Guths Regie

Ganz schön hochnäsig: Der Partnertausch findet in einer schicken Designer-Villa statt, von deren Terrasse man in den Fichtenwald blickt. Der ist übrig geblieben aus der „Don Giovanni“-Inszenierung vom Vorjahr. Die Haustreppe kennen wir aus dem „Figaro“ (2006): Regisseur und Bühnenbildner wollten sich selbst ein Denkmal setzen. Aber dazu ist „Così fan tutte“ eher ungeeignet.

Trotz modischem Schnickschnack fehlt eine zündende Idee. Ein paar clevere Einfälle und choreografische Witzchen, für die überwiegend der französische Wirbelwind Patricia Petibon (Despina) sorgt, spekulieren ungeniert mit dem Geschmack jener Teile im Publikum, denen Oper womöglich eher fremd ist.

Ein wenig schlicht gedacht

Doch gar so simpel, wie es sich das Inszenierungsteam vorgestellt haben mag, ist das Stück nicht. Im Gegenteil: Immer wieder gibt Mozarts Musik beklemmende Einblicke in die Träume und Sehnsüchte der beiden Paare, denen das gefährliche Experiment eines Partnertausches, eingefädelt vom Zyniker Don Alfonso, nie so recht geheuer erscheint. Am Ende stehen sie vor dem Scherbenhaufen ihrer Beziehung. Aber das interessiert Claus Guth leider gar nicht. Bei ihm versandet die Handlung im Ungewissen. Die Party ist vorbei. Wozu aber dann das Ganze?

Auch Don Alfonso, der Strippenzieher, geht auf Tauchstation. Zuvor hatte er die handelnden Personen wie Marionetten durch den Raum geschubst, dessen steriles Ambiente keine Gefühle duldet. Radikal und ein wenig hilflos gehen Guth und sein Team auf Konfrontationskurs zur Musik. Fiordiligis Rondo „Per pietà“ darf keine Seelenlandschaften preisgeben, Hauptsache, es wird exakt gesungen.

Ein Dirigent zweiter Wahl

Dass so vieles unentdeckt bleibt, liegt auch am Dirigenten Adam Fischer. Glaubt man der Gerüchteküche, dann war er zweite Wahl: Thomas Hengelbrock oder Marc Minkowski seien den Wiener Philharmonikern „nicht vermittelbar“ gewesen. Unter dem Ungarn spielte das Orchester makellos, aber ruppig und ohne Zwischentöne. Das instrumentale Niveau (Holzbläser!) war staunenswert, wie zumeist bei Salzburgs Platzhirschen.

Von den Sängern überzeugte Miah Perssons Fiordiligi. Angemessen Isabel Leonhard (Dorabella), matt Topi Lehtipuu (Ferrando), robust Florian Boesch (Guglielmo), routiniert Bo Skovhus (Alfonso). Dass sich alle auf einer Bühne perfekt bewegen können und das auch brillant zeigen, sollten jene bedenken, die sehnsüchtige Vergleiche zu früheren Salzburger „Così“-Sternstunden ziehen. Despina hatte der Regisseur in sein Herz geschlossen: In Jeans und prächtig bei Stimme sahnte Patricia Petibon kräftig ab. So mancher männliche Zuschauer hätte gewiss nichts dagegen gehabt, wenn ihr die Regie gestattet hätte, den Striptease während der Arie „Una donna a quindici anni“ zu Ende zu bringen.

Volker Boser

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