Endstation Liebe
Florian Boesch scheitert mit der Modernisierung von Franz Molnars Prekariatsmärchen "Liliom" im Residenz Theater
Der Jahrmarktsausrufer Liliom ist in die Jahre gekommen. In die 70er Jahre - und da lockt er die Weiber nicht mehr ins Karussell, sondern als Schnulzensänger in ein verräuchertes Tanzlokal. Im Residenz Theater haben Regisseur Florian Boesch und Hauptdarsteller Michael von Au Franz Molnars zartbitteres Prekariatsmärchen "Liliom" so gründlich von aller Volksstück-Gefühligkeit entschlackt und gegen jeden Sentimentalitäts-Strich gebürstet, dass dabei leider die emotionale Substanz draufgeht. Höflicher Beifall nach langen eindreiviertel Stunden.
Molnar zeichnete seinen Liliom 1909 als charmanten Nichtsnutz und Frauenhelden, den die unbedingte Liebe der naiven Julie so kalt erwischt, dass er für sie sein bisheriges Leben aufgibt, aber auch kein neues mehr findet. Er macht aus Stolz grundsätzlich das Falsche: Weil ihm für Liebe und Frust die Worte fehlen, lässt er die Fäuste sprechen. Michael von Au spielt aber nicht die soziale Abwärtsspirale, sondern von vornherein die Endstation Lilioms. Dieser verlebte Tanzboden-Schnulzier mit dem zotteligen Langhaar hat längst resigniert und sich selbst aufgegeben. Warum ihm immer noch die Frauen nachlaufen, ist ein Rätsel. Die melancholischen Chansons von Martin Schütz machen schnell klar, wohin die Reise geht. Wie soll da eine Fallhöhe entstehen?
Holzschnitte
Auch keine der anderen Figuren erzählt eine Geschichte, sie bleiben alle klischierte Holzschnitte. Anne Schäfers Julie behauptet ihre absolute Hingabe nur mit kühlem Hochglanz-Dauerlächeln, das ihr selbst bei Lilioms Tod nicht abhanden kommt. Katharina Hauter als ihre Freundin Marie zeigt da schärfere Kleinbürger-Kontur. Allerdings ist die Textfassung so verkürzt, dass viele Entwicklungs-Facetten fehlen. Auch bei Liliom: Dass er vor dem missglückten Raubüberfall die Beute schon verzockt hat, wird nicht erzählt. Danach sticht er sich so unbeholfen das Messer in den Bauch, als habe er die Harakiri-Anleitung vergessen.
Anfangs hat Boeschs Inszenierung noch die entrückte Atmosphäre eines Amüsierlokals als Parallelwelt, dann verliert sie sich in zeit- und ortloser Abstraktion. Die Drehbühne (Dorothee Curio) ist zwar als Lebenskarussell ständig in Bewegung, wird aber nicht sinnvoll genutzt. Aus Angst vor Gefühlen bleibt die Aufführung kalt und seelenlos. Eine verspielte Chance - genauso wie Lilioms Rückkehr aus dem Jenseits.
Gabriella Lorenz
Residenz Theater, 15., 26. März, 3. April, 20 Uhr, Tel. 2185 1940
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