Eisernes Lebensblut
Nach Depressionen und Einfallslosigkeit der Neustart mit Besinnung auf das, was sie können: Metallica und ihr neues Album „Death Magnetic.“
Metallica, die genre-prägendste Band der letzten 20 Jahre, hat sich selbst filetiert. „Diese Scheibe ist das Skelett von Metallica“, sagt Sänger James Hetfield über das neue Album „Death Magnetic“, das ab heute in den Läden ist. Diese neunte Studioscheibe ist eine musikalische Wiederauferstehung von den Toten – oder den Totgesagten. Denn was die Kalifornier seit 1991, seit dem „Black Album“, veröffentlicht haben, war nur für Fans geeignet, die sich Treue bis in den Tod geschworen hatten.
Mit dem alternativ verhuschten „Load“ (1996) fingen Metallicamit kräftigen Spatenstichen an, sich das eigene Grab zu schaufeln. Kaum noch etwas erinnerte an die Band, die mit Scheiben wie „Ride The Lightning“ oder „Master Of Puppets“ Musik für die Ewigkeit geschaffen hatte. Mit „Reload“ (1997) hatte man die ewige Ruhestätte ausgehoben und mit dem Bastard „St. Anger“ (2003), einer strukturlosen Platte mit einem fürchterlich scheppernden Mülleimer- Schlagzeugsound, den Sargdeckel zugeklappt. In der Film- Doku „Some Kind Of Monster" (2004) offenbarte die Band sich in all ihren menschlichen Schwächen.
„Death Magnetic“
Jetzt sind Metallica mit „Death Magnetic“ zurück. Endlich ist sie wieder da, die Vielschichtigkeit der sich gegenseitig befruchtenden, kontrapunktischen Ebenen, die irrsinnigen Tempi und Dynamikwechsel. Es wird wieder auf der Gitarre gefiedelt, was die Flitzefinger Kirk Hammets an Solo-Höllenritten über die sechs Saiten hergeben. Dazu versetzt Neu-Basser Rob Trujillo dem Quartett eine urwüchsige Erdigkeit, und Drummer Lars Ullrich jagt seine Snaredrum auf der Überholspur durch die Platte.
Der Patient hat sich selbst geheilt. „My Apocalypse“ schreddert mit Starkstrom-Intensität daher. „The Day That Never Comes“ ist strukturell leicht an die Hammer-Hymne „One“ mit ihren filigranen Tempo-Steigerungen angelehnt. „Cyanide“ mit einem schlichten, aber magnetisierenden Riff ist fast poppig und doch derb ins Kerbholz getroffen. Wütende Textzeilen wie „Suicide, I have already died – it’s just the funeral I have been waiting for“ vertreiben jede Sülzigkeit.
Sie haben gesiegt
Ja, Metallica, die für „Death Magnetic“ ihren Erfolgsproduzenten Bob Rock feuerten und sich Rick Rubin holten, der schon Johnny Cash, Linkin Park oder die Red Hot Chili Peppers wieder auf die Erfolgsspur gebracht hat, sind zurück in der Zukunft. Sie haben die Dämonen des Alkohols, der Sucht, der Angst, der Einfallslosigkeit, des Nachjagens nicht passender Trends besiegt.
Es ist zwar nicht die beste Metallica-Scheibe, dafür wirken Songs wie „Judas Kiss“ zu gewollt retrospektiv. Man setzt manchmal zu sehr auf alte Markenzeichen, ohne dabei die unterschiedlichen Elemente und Tempi so zu vernetzen, dass jeder Teil wie die logische Konsequenz des vorherigen erscheint (wie bei den Klassikern „Master Of Puppets“, „Creeping Death“ oder „One“). Aber „Death Magnetic“ ist die beste Scheibe seit dem „Black Album“ und beweist, dass in Metallica immer noch das Lebensblut eines gigantischen Metal-Herzens durch die Adern getrieben wird. Das Metallica-Skelett tanzt mit „Death Magnetic“ seinen ureigenen Todesmarsch, ein morbid-faszinierendes Überlebens-Manifest.
Matthias Kerber