Eisbrecher im Zenith
Nonchalant verteilt ein muskulöser, gutaussehender und charmanter Mann im geblümten Hemd, Bermudas und schwarzroten Kniestrümpfen Wasser, Obst und Stoff-Eisbären im Publikum. Damit trifft er im wahrsten Sinn voll ins Schwarze, zum einen, weil die Fans sämtlich schwarzgewandet sind, zum anderen, weil ihn alle kennen: Es ist die Münchner Rock-Legende Alexx Wesselsky.
Bereits mit 17 Jahren war er der Frontman von Dale Arden, benannt nach der Geliebten des Comic-Helden Flash Gordon, Anfang der 90er Jahre gründete er die rasch erfolgreiche Band Megaherz und manifestierte damit den popkulturellen Musikstil "Neue Deutsche Härte". Zehn Jahre später ergab sich daraus gemeinsam mit Leadgitarrist Noel Pix die Formation "Eisbrecher", die durch ihre ehrliche deutschsprachige Rockmusik mit satten Elektroelementen heute zu den wichtigsten Vertretern dieses Genres zählt und das Münchner Publikum im Zenith mehr als erfrischt.
Nachdem das Publikum mit Früchten und Bären versorgt ist, beginnt das eigentliche Konzert. Alles stimmt an diesem Abend: Sound, Lichtshow und die Choreographie lassen Augen und Herzen glühen. Eisbrecher zeigen alles. Die bombastischen Gitarrenklänge mischen sich geschmeidig mit den fetten Beats und den klugen, kritischen und tight vorgetragenen Texten von Frontmann Alexx. Dazu liefert die Band eine perfekte Show samt Kugelblitzen und Percussionisten, die synchron mit Schlagzeugsticks auf mit Wasser benetzten Stahltrommeln spielen und damit effektvollen Sprühregen in die Luft zaubern.
Ein Eisbrecher ist ein Schiff, das sich seinen Weg durch zugefrorene Gewässer bahnt und mit voller Energie und enormem Druck hohe Schwingungen erzeugt. Genialer hätte ein Bandname daher kaum sein können: Die Musik in Kombination mit den Texten ist jenes mit mächtigen Stahlschrauben versehene Schiff, das die Wassermassen mit Stampftechnik hin- und herpumpt, um das Eis zu brechen und Volldampf voraus durch die Welt braust. Die Besatzung macht manchmal bei Zwischenstopps die Häfen unsicher, hinterlässt jedoch stets ein wohliges Gefühl von Gemeinsamkeit und innerer Kraft.
Inzwischen sind insgesamt neun Studioproduktionen entstanden, deren Qualität nicht abfällt, die Einfälle gehen nicht aus. Schon bei ihrem Debutalbum wurden sie abgefeiert, weil als Anreiz für das Kopieren der CD zwei Rohlinge beigelegt wurden. Das Ziel jener Aktion war, gegen die Kriminalisierung der Endverbraucher durch die Musikindustrie zu protestieren. Diese Form des Augenzwinkerns ist schon immer eines ihrer vielen liebenswerten Markenzeichen.
Freilich verfügt die Band auch über eine verlässliche Anhängerschaft, die der Sänger Alexx in einer seiner gekonnten und gutgelaunten Zwischenansagen ausdrücklich lobt und sich wohlklingend bedankt, dass die Karten von Konzertterminen, die pandemisch verschobene worden waren, behalten wurden. Einige Fans waren ohnehin seit Jahren auf sämtlichen Konzerten auf dem gesamten Globus - die sei wohl die einzig positiv besetzte Form von Fanatismus.
Alexx' Stimme ist äußerst vielseitig, mal zerbrechlich und sensibel, dann wieder rau und heftig. Jeder Song hat darüber hinaus eine klare und oftmals sozialkritische Botschaft, etwa wenn Wesselsky im Lied "This is Deutsch" singt: "Zu Befehl, jawohl, mein Herr. Wir sind deutsche Roboter. Exakt. Im Takt. Drei, vier, Sternennacht. Arbeit fertig, gut gemacht. Harte Ziele hochgesteckt. Die Maschine läuft perfekt. Korrekt. Perfekt."
Zwischendurch heben grandiose Coverversionen wie Falcos "Out of the dark", sowie "Anna (laßmichrein laßmichraus)", eine sensationelle musikalisch Verneigung vor Trio die euphorische Stimmung des Abends.
Nach gesättigten zwei Stunden Power verabschiedet sich die Band mit vier gewaltigen Zugaben, um sich anschließend wieder auf die Reise in die Weltmeere zu machen und mit hoher Geschwindigkeit Packeis zum Bersten zu bringen.
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