Einen Ehrendoktor für heiße Luft
Der Anfang war suggestiv. Ein Streichquartett nebst Pianist, Saxofonspieler und einem Dirigenten erschien. Nach ein paar Takten drehte dieser sich zum Publikum, um sich überraschenderweise in einen achtfachen Kindsmörder zu verwandeln.
Wie in einem Requiem ließen Árpád Schilling und sein Team vom ungarischen Theater „Krétakör” jugendliche Opfer von ihrem Leid berichten. Wenn man dem Programmheft trauen darf, stecken hinter der Kammeroper „Undankbare Biester” beste Absichten und ernsthafte Recherchen zum Thema Missbrauch. Doch sie sublimierten sich bedauerlicherweise zu Phrasen wie „in einem blinden Seidenkokon knabberte ich das Licht”.
Zu allem Überfluss hatte der ermittelnde Arzt noch Ärger mit seiner manisch-depressiven Frau. Ihr Sohn bekam zuletzt eine Krise, die das Geprassel des Gewitterregens auf dem Staatsopern-Pavillon am Marstallplatz gnädig verschluckte. Die Klangkulisse von Marcell Dargay wäre kaum der Erwähnung wert, hätte sie das Programmheft nicht zur Lösung aller musikgeschichtlichen Probleme der letzten 50 Jahre ausgerufen. So brachten Arroganz, Kunstgetue und Banalität einen gut gemeinten Abend zusammen zur Strecke.
Es ist gewiss unfair, aus begleitenden Drucksachen zu zitieren. Hier sei’s wegen ihrer enormen Aufgeblasenheit trotzdem getan: „Krétakör hofft, dass die Übernahme der gesellschaftlichen Verantwortung der darstellerischen Künste früher oder später einen Platz in den akademischen Institutionen bekommt”, heißt es da. Echt schade, dass Zeitungen niemanden promovieren dürfen. Denn wir würden Herrn Schilling gern einen Dr. h.c. für die heißeste Luft der diesjährigen Staatsopernsaison verleihen.
Wieder am 22. und 23. Juli, 20 Uhr, im Pavillon 21 Mini Opera Space, Tel. 2185 1920