"Eine selbstbewusste Erscheinung"

Das lange Ringen um ein NS-Dokumentationszentrum in München ist einen großen Schritt vorangekommen. Das Modell des Berliner Büros "Georg Scheel Wetzel Architekten" hat den Architektenwettbewerb gewonnen. Tobias Scheel erklärt, warum das Zentrum von außen so schlicht aussieht
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Das lange Ringen um ein NS-Dokumentationszentrum in München ist einen großen Schritt vorangekommen. Das Modell des Berliner Büros "Georg Scheel Wetzel Architekten" hat den Architektenwettbewerb gewonnen. Tobias Scheel erklärt, warum das Zentrum von außen so schlicht aussieht

Bescheiden steht er bei der Präsentation neben OB und Minister. Auf AZ-Nachfrage sagt Architekt Tobias Scheel vom Büro "Georg Scheel Wetzel“, dass er bei Oswald Mathias Ungers studiert hat. Ungers? – Aha, der 2007 gestorbene Architekten-Star war berühmt für seine Würfelbauten... Nein, sagt Wetzel, so einfach sei das nicht mit seiner Würfel-Lösung für München. Wie also dann?

AZ: Bei so einem Ergebnis fragt man sich schnell, ob der ganze Aufwand nötig war. Wie kam’s zum Würfel?

TOBIAS SCHEEL: Die Öffentlichkeit meint oft, dass die einfachen Dinge auch besonders einfach herzustellen wären. Das ist aber ein Irrtum. Auch wir haben in einem langen Prozess ganz verschiedene Baukörperfiguren geprüft, getestet, verworfen. Auf diesem langen Weg kamen wir schließlich zum Würfel.

Die Hauptargumente für ihn?

Das ist sehr komplex. Es hängt zusammen mit der inhaltlichen Situation, aber auch mit der städtebaulichen Disposition. Es ging darum, eine städtebaulich prägnante Figur zu finden, die den Auftakt am Königsplatz bilden kann. Die Voraussetzungen sind heute völlig andere als damals beim „Braunen Haus“. Das stand in einer Reihe, die zu den sogenannten Ehrentempeln führte. Das künftige Doku-Zentrum muss selbstbewusst in Erscheinung treten.

Beim Bau des Jüdischen Zentrum auf dem Jakobsplatz schimpften viele Münchner auf die scheinbar klobigen Formen. Erst nach der Eröffnung wurde ihr Wert erkannt und begriffen. Rechnen Sie mit öffentlichen Angriffen?

Wir haben schon beide Varianten erlebt – dass ein Projekt schnell akzeptiert wird und dass sich erst mal eine Anti-Stimmung bildet. Für uns ist die Form ganz natürlich, aber wir kennen ja auch die Logik aus dem Entstehungsprozess. Mir ist klar, dass auf einen oberflächlichen, ersten Blick harte Reaktionen folgen können. Es kann auch schnell "Beton“ als Schimpfwort verwendet werden. Aber uns ging es darum, ein authentisches Material zu verwenden, das für sich steht, das nicht mit Bedeutungen belastet ist, sondern einfach die Figur bekleidet.

Ist das nun Ihr bislang größtes Projekt?

Wir haben ein größeres Schulensemble in Regensburg gebaut, das zwar von der Bausumme her niedriger angesiedelt war, aber durchaus diese Größenordnung hatte.

Aber Sie begeben sich zum ersten Mal auf das heikle Feld der Gedenkarchitektur?

Nein, in Berlin haben wir an der Bernauer Straße einen städtebaulichen Bebauungsplan entwickelt im Umfeld der geplanten Mauergedenkstätte. Da gab es eine ganz ähnliche Situation und große öffentliche Aufmerksamkeit, wenn auch mit anderen Vorzeichen.

Das Thema NS-Doku-Zentrum ist ja zwangläufig bleischwer und zwiespältig. Kann man da bei einem Wettbewerbssieg überhaupt die Korken knallen lassen?

Absolut. Wir haben aber eher unspektakulär gefeiert, denn uns war klar: Jetzt geht die Arbeit erst richtig los.

Michael Grill

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