Eine Kuh von Göttin

Alles neu in der Residenz: Bis zum Umzug ins Kunstareal hält das Museum Ägyptischer Kunst seine Besucher mit feinen Überraschungen und sagenhaft tierischen „Gottes-Bildern” bei Laune
Christa Sigg |
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Isis und Osiris” tönen immer noch in tiefem Bass über die Opernbühnen. Sarastro, der Oberpriester aus der „Zauberflöte”, beschwört dann seine Chefgötter. Und tatsächlich hat sich das sagenumwobene Geschwisterpaar lange gehalten, die Konkurrenz in der altägyptischen Götterwelt war schließlich nicht dürftig – über gut 3000 Jahre kommt schon was zusammen. Zumal die Devise „Viel hilft viel” die Vermehrung der Übermenschlichen ordentlich befördert hatte. Auch das ist eine angenehm irdische Erkenntnis, die man in der neuen Ausstellung „Gottes-Bilder” im Museum Ägyptischer Kunst gewinnt.

Wer sich jetzt wundert, dem geht es wie uns. Man hat das gerade fertig gestellte Domizil der Sammlung an der Gabelsbergerstraße, im Großbau mit der Hochschule für Film und Fernsehen, schon im Visier. Eine neue Schau in der Residenz überrascht. Erst recht die komplette Umgestaltung der alten Ausstellungsräume. Wer Sylvia Schoske allerdings kennt, weiß, dass sich die Museumschefin mit faden Zwischenlösungen nicht zufrieden gibt. Man will natürlich auch präsent bleiben. Und bis zum Umzug sind’s noch fast zwei Jahre, die antiken, oft fragilen Exponate brauchen ein optimales Klima, um nicht Schaden zu nehmen. Heißt: die Feuchtigkeit muss raus aus den frischen Betonwänden. Was dauert.

Beim Mix aus Mensch und Tier bliebt Komisches nicht aus

Also wurde in der Residenz bis auf wenige Vitrinen alles umgekrempelt, und das soll so weitergehen: Großformatige Objekte müssen zur „Überholung”, werden restauriert und neu gesockelt. Man bekommt auf diese Weise Unbekanntes aus dem Depot zu Gesicht oder Exponate, die mangels Platz schon länger nicht mehr gezeigt wurden. So ist neuerdings Keramik aus dem Sudan zu sehen, gemeinsam mit dem attraktiven Goldschatz einer meroitischen Königin. Oder eine neu erworbene Rarität wie die Sitzfigur des „Cheti” um 1700 vor Jesus Christus.

Das gibt einen Vorgeschmack auf die unterirdische Schau im Kunstquartier. Wobei mit der Sonderausstellung zugleich das neue Museumskonzept in die Testphase geht. Nicht eine streng chronologische, für Nicht-Fachleute eher langweilige Aufstellung soll dominieren, sondern die Ordnung nach Themenschwerpunkten. Darunter spielen die „Gottes-Bilder” wohlweislich eine exponierte Rolle, die Religion bietet gerade im alten Ägypten schon aufgrund der überbordenden Vielfalt an Göttern ein spannendes Plateau Kulturgeschichte.

Für jedes Wehwehchen die passende Adresse

Im Gegensatz zum Bildnisverbot des Christentums war es hier vornehmste Aufgabe des Künstlers, just das Göttliche abzubilden. Und da es keine Vorbilder gab, waren echte Innovationen gefragt. Schon die unterschiedlichsten Menschen- und Tiergestalten und erst recht die Mischwesen sprechen für eine umwerfende Fantasie. Die manchmal zu eher komischen Ergebnissen geführt hat wie der Göttin Hathor – mit Kuhohren. Das Gros erzählt von einem naturbestimmten Leben. Die Fruchtbarkeitsgöttin erhält als Attribut die lebenspendende Sonne, als giftiger Skorpion mit weiblichem Haupt erscheint Heilgöttin Selket, und Löwenköpfe verheißen oft Kraft.

Die Strukturen kleben dafür wieder nah an der menschlichen Gesellschaft, das kennt man auch aus anderen Religionen: Gefragt war die Kleinfamilie – etwa die besagten Isis und Osiris mit Söhnchen Horus. Und was man sich wünschte, wurde auf konkrete Götter bezogen. So, wie im Mittelalter für jedes Wehwehchen ein bestimmter Heiliger zuständig war.

Man ist angetan von so viel Diesseitigkeit und überrascht von individueller Frömmigkeit, auch dem geradezu lässigen Nebeneinander von offiziellem Kult und magischem Abrakadabra. Dass man erst zum Schluss im Reich der Toten landet, vor der umwerfend schönen und den Münchnern wieder vertrauten Sargmaske der Satdjehuti Satibu, auch das erstaunt. Aber bloß weil die Archäologen dauernd in Gräbern wühlen, muss eine Religion nicht völlig aufs Jenseits fixiert sein.

Bis 31.3.2012 – in der Residenz

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