Eine Frage der Ehre?

Sibel Kekilli spielt in „Die Fremde“ eine junge Türkin, die sich gegen die Traditionsregeln ihres Milieus wehrt. Dabei ist Feo Aladags Film rücksichtslos realistisch, packend, differenziert
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Sibel Kekilli spielt in „Die Fremde“ eine junge Türkin, die sich gegen die Traditionsregeln ihres Milieus wehrt. Dabei ist Feo Aladags Film rücksichtslos realistisch, packend, differenziert

8„Du willst einfach zu viel!“, sagt die jüngere Teenie-Schwester zu Umay (Sibel Kekilli). „Hör auf zu träumen!“, sagt die Mutter, die spürt, dass alles in die Katastrophe führen wird. Umay ist aus ihrer arrangierten Zwangsehe in Istanbul zurückgeflohen nach Berlin, zu ihrer Familie. Wird „Blut“, die Liebe ihrer Eltern und Geschwister, stärker sein als der Traditions-Druck der „Familienehre“?

Die Wiener „Tatort“-Drehbuchautorin Feo Aladag hat mit „Die Fremde“ nicht den Fehler gemacht, die junge türkische Frau einfach zur Emanzipations-Heldin zu erklären. Man lernt auch den traditionsgeprägten Gastarbeiter-Vater als liebenden, letztlich fast weichen Mann kennen wie auch die konservative Mutter, die alle ihre Kinder liebt. Aber wie in einem antiken Drama gibt es keine Lösung ohne fatale Tragik: Rückkehr ins rohe Ehegefängnis? Oder eine Dauerflucht, völlig isoliert und sogar gefährlich, verfolgt von allen, die sie doch liebt?

Umay entscheidet sich für den Kampf gegen die Wand aus alten Machtstrukturen, für ein selbstbestimmtes Leben für sich selbst und den kleinen Sohn. Eine Abwärtsspirale kommt in Gang, die auf einen sogenannten „Ehrenmord“ hinauszulaufen scheint.

So löst der lebensnahe Film bei aller ehrlichen Differenziertheit mit seiner tragischen Wucht und dem rücksichtslos packenden Spiel von Sibel Kekilli beim Zuschauer zu Recht empörtes Entsetzen aus: Warum gelingt es vielen Einwanderern nicht, ihre patriarchalischen, für ein Leben in unserer Gesellschaft unpassend rigiden Strukturen aufzuweichen? Genügt der Verweis auf die eigenen kulturellen Wurzeln oder die Sicherheit, die nur das eigene traditionelle Milieu in der Fremde gibt? „Verzeih mir!“, sagt am Ende der nervlich aufgeriebene, todkranke Vater zu seiner Tochter – eine überraschend trügerische Szene. Adrian Prechtel

Kino: City, Filmcasino

R & B: Feo Aladag K: Judith Kaufmann (D, 119 Min.)

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