Ein Zauber liegt über der Welt
Am 21. Juli 2007 ging nach zehn Jahren eine ansteckend-fieberhafte Revolution zu Ende: Der siebte und letzte „Harry Potter”-Band erschien auf Englisch. Kein Werk hatte je über eine so lange Zeit die ganze Welt in Atem gehalten. 500 Millionen Bücher wurden in 67 Sprachen verkauft, 30 Millionen auf deutsch. J.K. Rowling wurde reicher als englische Queen.
Pädagogen jubelten über eine neue Leselust von Kindern im Computerzeitalter (interessanterweise kommen auch in der Zauberwelt keine Computer zum Einsatz), Optiker waren froh, dass Brillentragen in der Schule nicht mehr automatisch zur Deklassierung wegen mangelnder Coolness führte. Und mit einer Verzögerung von vier Jahren hinter den Buch-Bänden wurde das Kino aus einer DVD- und Download-Krise gerissen. Die bisher verfilmten Teile 1 bis 7 sind alle unter den 30 erfolgreichsten Filme aller Zeiten und spielten bisher zusammen über 4,4 Milliarden US-Dollar ein. Damit ist „Harry Potter” – neben dem „Herrn der Ringe” – das erste multimediale Global-Epos.
Da die Produzenten beschlossen, die Verfilmung des letzten Bandes aufzuteilen, kommt jetzt der achte Film ins Kino, „Potter und die Heiligtümer des Todes II”. Um 16 Uhr Ortszeit ist Weltpremiere am Trafalgar Square in London. Diesmal – ein Bruch zu den vorangegangenen Kinoerzählungen – in 3D. Dann, eine Woche später, am 14. Juli, ist Deutschlandstart, Previews wird es schon in der Nacht auf Donnerstag geben, der Kinovorverkauf für die gesamte erste Woche läuft bereits.
Die Buch-Erzählung endet, als Harry Potter mit 17 Jahren in der Zauberwelt volljährig wird. Und dann der Epilog – der Sprung um fast 20 Jahre: Harry ist mit Ginny verheiratet und schickt seine Kinder selbst auf das Zauber-Internat Hogwarts, wo auch die Tochter von Harrys Freunden, Ron und Hermine, hingeht. Ein Spießigkeits-Schock nach zehn Jahren Dauer-Fantastik, der aber eigentlich nicht verwunderte. Schließlich war unsere biedere Alltags-Muggelwelt ja immer die Folie, die immer auch in die nostalgische Zauberwelt durchschimmerte.
Daneben spiegeln sich in den „Potter”-Büchern und -Filmen auch extrem zeitgemäße Diskussionen: Mit der heimlichen Hauptfigur, Hermine Granger, ist die zukünftige moderne Erfolgsfrau skizziert: selbstbewusst, ehrgeizig, dabei nicht unweiblich und vor allem unzickig kameradschaftlich und damit auch entlastende Frau an der Seite des Mannes, der selbst nicht mehr erfolgreicher als sie selbst sein muss, um zu ihm aufschauen zu können.
Auch Themen wie Rassismus werden in der Harry-Potter-Welt verhandelt. Schließlich verachtet die Riege um den bösen Lord Voldemort so genannte „Schlammblüter”, Mischlings-Zauberer, die nicht von reinrassigen Zauberern abstammen. Und die Gefahr einer untransparenten Geheimpolitik mit einem kontrollierten Zentralorgan bedroht in der Potter-Welt die freie Gesellschaft.
Das alles haben auch die zum Teil überladenen Verfilmungen, die hunderte von seiten in zwei Kinostunden pressen mussten, transportiert. So schließt sich morgen auch eine fantastische Filmdekade, die 2001 mit „Harry-Potter und der Stein der Weisen” begann.
Wer von der Hogwart-Welt nicht loskommt, für den schaltet J.K. Rowling eine Fernstudiums-Hompage am Zauberinternat am 31. Juli, ihrem Geburtstag, frei. Und ein Harry-Potter-Themenpark hat letztes Jahr schon in Orlando, Florida eröffnet. Aber solche Ersatzwelten bleiben, was die Fantasie anbelangt, ja immer weit hinter dem Buch und sogar der Filmwelt zurück.
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