Ein Weindekanter für die Keltenparty

In der Archäologischen Staatssammlung erfährt man Erstaunliches über den Austausch der Kulturen
von  Christa Sigg

In der Archäologischen Staatssammlung erfährt man Erstaunliches zum Austausch der Kulturen

Eigentlich steht die Bank ja verkehrt rum. Jetzt, wo’s draußen nicht mehr ganz so gemütlich ist und schnell dunkel wird, würde man den Blick nur allzu gerne auf eine Landschaft werfen, der dieses außergewöhnliche Möbel den Rücken zuwendet. Malerisch grüne Hügel breiten sich aus, dazwischen züngeln einzelne Zypressen in die Höhe, ein paar Häuser glucken zusammen – und über alles gleitet sanftes Licht. Doch weder die Landschaft ist echt, noch darf man sich auf die kunstvoll gearbeitete keltische Kline (ein Ruhe- oder hier ein Totenbett) setzen. Das Arrangement bildet den Auftakt zur neuen Schau der Archäologischen Staatssammlung mit dem poetischen Titel „Im Licht des Südens”.

Dabei geht es weniger um Urlaubsträume, die dem Besucher schnell durch den Kopf geistern, beflügelt von den realen Düften einer mediterranen Marktszene, die sich gleich ums Eck auftut. Sondern vielmehr um die Begegnung der Kulturen, den Austausch zwischen dem Mittelmeerraum und Zentraleuropa.

Letztlich ging es um ein besseres Leben

Denn was heute als so unglaublich fortschrittlich gilt, hat eine Jahrtausende alte Tradition. Bereits in der Steinzeit vor 15000 Jahren ging’s hin und her, seit rund 6000 Jahren sogar ziemlich rege, und man staunt nicht schlecht, welche Wege zurück gelegt wurden. Nur war das Tempo von Füßen, Hufen, Karren und Segelschiffen eben ein anderes.

Ansonsten sind die Unterschiede – das ist das immer wieder Verblüffende dieser Ausstellung – nicht allzu gravierend. Denn heute wie vor zwei-, drei- oder fünftausend Jahren ging es letztlich um ein besseres Leben. Und das verlangte nach dem Tausch von Waren, Technik, Ideen und nicht zuletzt Lebensart.

Auch auf dem kühlen Dorfplatz machte die Kelten-Lady mit römischem oder etruskischem Geschmeide bella figura, und wenn der Stammeshäuptling zum Gelage lud, ließen Weindekanter und feines Trinkgeschirr die Gäste neidisch werden. Dafür war das sagenhafte Eisen der Kelten im Süden schwer gefragt. Oder Bernstein. Immerhin, denn sehr viel mehr, vor allem an Savoir vivre machte den umgekehrten Weg. Was kaum überrascht. Heute noch dominiert es die Speisetafeln diesseits der Alpen, auch wenn hiesige Star-Topfrührer gerade ein Credo aufs Regionale singen, neu interpretiert versteht sich, und dann auf dem Schweinsbraten doch ein Rosmarinzweig landet.

Mit dem Streitwagen ins Jenseits

Rosmarin riecht man tatsächlich im eingangs beschriebenen Marktbereich, ansonsten dominiert in der Präsentation aus über 500 italienischen Exponaten (aus Museen in Rom, Ancona, Perugia), die Objekten des nordalpinen Raums (Museen in Wien, Zürich und natürlich der Staatssammlung) gegenüberstehen, vor allem das, was die Jahrtausende überdauern konnte. Oft aus den Gräbern der Upper class – sie erzählen fast alles, was man über „antikes” Leben weiß. Von der maskulinen Angewohnheit, sich mit eher unpraktischen Prunkwaffen zu schmücken und der offensichtlichen Adaption Hunderte Kilometer weiter nördlich bis zum Schlangennadel-Mobile, mit dem man sich die bösen Geister vom Leib hielt.

Und spätestens, wenn man den reich behängten Trinkgeschirr-Ständer eines opulenten Frauengrabes aus den Marken vor sich hat, wird klar, dass die Emanzipation bereits in gar nicht grauer Vorzeit fröhliche Urstände gefeiert hat. In diesem Fall im späten 7. Jahrhundert vor Jesus Christus.

Nein, die Welt ist nicht neu, ein bisschen größer vielleicht. Und der Norden hat aufgeholt in puncto Technik und ja, Business. Das sieht man zwar nicht, erfährt aber in den sieben Sektionen der Schau famose Denkanstöße, sei es durch vielsagende Exponate, sei es durch resümierende Texte. Wobei die Hautevolée auf beiden Seiten, also im Norden und im Süden, schon mal weiter war. Denn selbst cleverste Geldschwaben können ihren Mercedes SLS nicht so elegant mit ins Jenseits befördern, wie das einem Fürsten der Provinz Macerata mit seinem Streitwagen gelang. Samt Behältern für größere Mengen Wein...

Archäologische Staatssammlung, Lerchenfeldstraße 2: Ausstellung "Im Licht des Südens" - bis 27. Mai 2012, Dienstag bis Sonntag von 9.30 bis 17 Uhr, Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Katalog (Kunstverlag Josef Fink) 24.90 Euro

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