Ein Pianist an den Tafeln der Macht
Mit den Tasten des Klaviers malt er musikalische Porträts, die riesenhaft aus dem Rahmen treten. Lang Lang macht fast überdeutlich klar, worauf er hinaus will. Deshalb streifen seine Auftritte die Grenze zum Pop, worüber sich die Stillen im Lande gern mokieren. Dafür lockt der Chinese jüngere Leute ins Gasteig, die sonst bei Klavierabenden kaum gesichtet werden.
Der zweite Teil des Abends war eine athletische Leistungsschau. Was fürchterlich schwer zu spielen ist, wirkt bei Lang Lang ganz leicht. Schillernde Terzen und kraftvolle Oktaven führte er in Frédérik Chopins Etüden op. 25 spazieren wie ein italienischer Operntenor.
Das hatte Charme, polierte aber vor allem die Oberfläche. Tiefer gründelte Lang Lang bei Schuberts Sonate B-Dur Nr. 21. Hier holte er ohne falsche Übertreibung den Tonfall resignierter Trauer heraus. Die konsequente Zurücknahme der Lautstärke im langsamen Satz wirkte bestürzend, das Scherzo besaß eine leichte Eleganz, die deutschen Schubert-Spielern nicht gegeben ist. Leider verkleinerte der Pianist in seinem virtuosen Übermut ein wenig das Verzweiflungs-Presto des letzten Satzes zum puren Final-Effekt. Davor ging Lang Lang Bachs Partita Nr. 1 mit viel Gefühl, effektvollen Tempo-Rückungen und etwas vorhersehbaren Steigerungen recht romantisch an. Nur Puristen dürfte stören, dass er die Tempo-Verhältnisse zwischen Courante und Allemande vertauschte.
Als Zugabe gab es ein warm empfundenes Rachmaninow-Prélude und die Wiederholung von Chopins Terzen-Etüde. Mit dem ersten Mal war Lang Lang nicht ganz zufrieden, wie er nach einem „Guten Abend” kurz auf Englisch formulierte. Auch beim Interview gestern Mittag für den bevorstehenden Auftritt bei „Klassik am Odeonsplatz” schien ihm die zweite Version gelungener.
Recht sauer reagierte Lang Lang auf die Frage nach seiner Meinung zur Verhaftung und dem seltsamen Verschwinden des Künstlers Ai Weiwei. Er wolle nur über Musik und keinesfalls über Politik reden. Außerdem sei er kein Vertreter der Regierung. Das ginge in Ordnung, wenn der Pianist nicht bei Staatsbesuchen der chinesischen Machthaber als Tafelmusiker aufspielen würde. So ist keine Antwort auch eine recht eindeutige Antwort.
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