„Ein Kriegskind überrascht nichts mehr“
Joachim Fuchsberger (82) erinnert sich anlässlich der vierteiligen ARD-Dokumentation „Kriegskinder“ an seine eigenen Erlebnisse
"Kriegskinder sind immun gegen alles. Wer das überlebt hat, den überrascht gar nichts mehr.“ Es fällt Joachim Fuchsberger sichtlich schwer, zu beschreiben, was er im Zweite Weltkrieg erlebt hat. Der 82-Jährige ist einer der Zeitzeugen, die für die vierteilige ARD-Dokumentation „Kriegskinder“ befragt worden sind.
Die Doku nimmt sich einer Generation an, die bislang kaum über ihre Erlebnisse gesprochen hat. Als Pimpfe, Hitlerjungen, Flakhelfer oder Soldaten wurden Halbwüchsige aktiv – ohne zu verstehen, worum es wirklich ging. Fuchsberger war zwölf Jahre alt bei Kriegsbeginn. „Wenn man bedenkt, was wir damals alles getrieben haben, und welchen Sinn das hatte, und wozu es führte, dann kann man nur entsetzt die Augen schließen und fragen: Was kann man mit Menschen alles machen?“
Euphorie
Der Schauspieler wuchs in Düsseldorf auf. 1941 trat er der Hitlerjugend bei. „Wir waren quasi in eine Erziehung eingegossen, aus der wir nicht heraus konnten. Wir waren integriert in diese allgemeine Euphorie. Man hat gehandelt, ohne überhaupt darüber nachzudenken.“, sagt er. Fuchsberger geriet aber auch immer wieder in Schwierigkeiten, weil er nicht akzeptieren konnte, dass er Gleichaltrigen aus der Gruppe gehorchen sollte. „Das hat mir aus Eitelkeit nicht gefallen, ich wollte eigentlich mit dem Scheißverein nichts zu tun haben.“
In den Bombennächten von Düsseldorf wurde Fuchsberger gemeinsam mit seinem Kameraden Harry Back beauftragt, auf dem neu erbauten Turm des Rathauses einen Beobachtungsposten zu übernehmen. „Wir haben uns ungeheuer wichtig gefühlt und wollten, dass die Feinde bald kommen, da wir es so stinkfad fanden da oben.“ Dann hörten die beiden die ersten Flugzeuge, plötzlich stand der Turm in Flammen und die Buben mussten von der Feuerwehr runtergeholt werden. Sofort wurden sie aber zwischen den schreienden und flüchtenden Menschen wieder als Melder eingesetzt.
Traumatische Nächte
„Man hat keinerlei Möglichkeit mehr, sich gegen irgendetwas zu wehren“, erzählt Fuchsberger. „Dort brennt es, da liegt ein zerrissener Körper vor einem in der Straße und Menschen schreien um Hilfe. Man weiß überhaupt nicht, was man nun tun soll.“ Schließlich bekamen Back und er für diesen Einsatz das Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern verliehen – da waren die Buben knapp 15 Jahre alt. „Das war eine ungeheuer hohe Auszeichnung. Wir mussten sie 24 Stunden am Stück tragen und waren so blöd, damit hoch erhobenen Hauptes über die Düsseldorfer Königsallee zu marschieren.“
Im gleichen Jahr noch meldete sich Fuchsberger freiwillig zur Ausbildung zum Fallschirmjäger. „Hauptsächlich, weil ich dadurch der Einberufung durch die Waffen-SS entgehen wollte“, sagt er. „Und auch, weil ich schon als Kind immer fliegen wollte.“ Am zweiten Mai 1945 war der Krieg zu Ende. „Es war die Stunde Null für mich. Ich wurde russischer Kriegsgefangener, hatte aber großes Glück, denn die Russen übergaben mich den Amerikanern“, so Fuchsberger. „Dann wurde ich den Engländern weitergereicht und ich meldete mich freiwillig für die Arbeit im Bergwerk Zeche Ludwig II in Recklinghausen.“
Dort arbeitete Fuchsberger etwa vier Monate lang, ehe er der Gefangenschaft entkommen konnte. „Im Bergwerk habe ich noch mehr als im Krieg gelernt, was Kameradschaft bedeutet. Wenn sich der Berg anfängt zu bewegen und man nicht weiß, ob gleich alles über einem einstürzt, ist das ein unbeschreibliches Gefühl.“
Susanne Alder
„Kriegskinder“ zeigt das Erste, immer montags um 21 Uhr
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