Ein kleiner, beweglicher Muskel
Ewig aktueller Sturm der Gefühle: Der Regisseur Jan Philipp Gloger über seine Inszenierung der Komödie „Die Unbeständigkeit der Liebe“ von Pierre Claret de Marivaux im Cuvilliés-Theater
Perfekt scheint Marivaux (1688 – 1763) nicht nur zum 1753 eröffneten Cuvilliés-Theater zu passen. Er musste sein Geld als Schriftsteller verdienen, nachdem er sein Vermögen bei einem Bankcrash verloren hatte. Pierre Claret de Marivaux – unser Zeitgenosse? Schon, aber aus anderen Gründen. Wie nah uns „Die Unbeständigkeit der Liebe“ ist, möchte Jan Philipp Gloger ab Sonntag mit seiner Inszenierung der 1723 uraufgeführten Komödie zeigen.
„Auch heute wachsen wir alle doch immer noch mit diesem Bild auf: Du triffst irgendwann den einen Menschen, der ist der oder die Richtige, und dann bist du treu. Aber wer das Ende einer großen Liebe erlebt hat, weiß, dass damit ein ganzes Leben und auch die Hoffnung wegbricht, dass es keine Verletzungen geben wird“, erzählt Gloger zwischen zwei Proben. Ein ewig aktuelles Thema.
Hasenbergl versus Maximilianstraße
„Marivaux lässt hier zudem zwei Welten aufeinander treffen, Schichten könnte man modern sagen: Hasenbergl versus Maximilianstraße. Was passiert, wenn die Businesswelt, eine dekadente Partygesellschaft, auf – jetzt muss ich vorsichtig formulieren – ganz normale Leute trifft?“ Marivaux führt ein exakt durchkonstruiertes Experiment vor, das schon an Mozarts „Così fan tutte“ denken lässt. Ein Paar trennt sich, weil beide Partner nach Kräften manipuliert werden, um sich eine neue Liebe zu finden. Denn „das Herz ist ein sehr beweglicher kleiner Muskel“, wie es einmal bei Woody Allen hieß.
Die beiden Welten definiert die Inszenierung über Kostüme und Verhaltensweisen, Ereignisse im Leben einer Figur werden auch mal am Flipchart abgehakt. Der Theaterraum spielt mit: „Wir haben versucht, auf das Cuvilliés-Theater zu reagieren, auf das Statement, das dieser RokokoRaum ist.“
Faszinierende Sprache
Am wichtigsten ist aber die Sprache. „Da ist Marivaux faszinierend. Dass etwa der Weg vom Meinen zum Sprechen ein ganz abenteuerlicher sein kann, dass Sprache verführen kann, dass man sich in Gefühle hineinreden lassen kann, dass man sie aussprechen und dann sofort schon wieder reflektieren kann, das alles macht ihn sehr spannend und modern.“
Der 27-jährige Gloger hat sich in München mit „Genannt Gospodin“ im Marstall vorgestellt. Seine Einstiegsdroge ins Theater war die Musik: Er sprang als Bühnenmusiker ein, hospitierte in der Oper. Studiert hat er dann bei Heiner Goebbels in Gießen, später Regie in Zürich.
An den Klassikern überfrisst man sich nie
„Das postdramatische Theater war eine wichtige Horizonterweiterung, aber auch eine Abgrenzung, um meinen Weg zu finden. Ich habe begriffen, dass am Theater für mich das Grundfaszinosum Sprache und Literatur sind.“ Er liebt die großen klassischen Autoren, Schiller, Kleist und Horváth: „Ich kann mich an diesen Texten nicht satt lesen.“
In München inszeniert er gern: „Es ist nicht schwierig, sich hier zu Hause zu fühlen. Und wenn man am Residenz Theater genau begründet hat, was, warum und wie man etwas machen möchte, hat man alle Freiheit und kann mit wunderbaren Schauspielern arbeiten. Und zur großen Tradition dieses Hauses kann man sich durchaus auch einmal in ein Spannungsverhältnis begeben.“
Birgit Gotzes
Premiere So, 19 Uhr. Auch am 21., 28. und 29. 12. und im Januar. Karten Tel. 2185 1940