Ein Herz aus Schweiß: Selig
Wiedervereint und glücklich: Selig in der Muffathalle
Scorpione haben ein Eifersuchtsproblem – Jan hat den Song zur Behandlung. Ein Lied, das die Eifersucht im Giftschrank verschwinden lässt, sagt er: „Wirklich gute Zeit“. Selig in der Muffathalle – das Ende der coolen Zeit. Eine Band, seit zwei Jahren wiedervereinigt, getragen von Wärme. „Euphorie! Ein gutes Gefühl!“ ruft Jan, und „Liebt ihr uns?“ Wenn die Emotionen übernehmen, darf es peinlich werden. Peinlich schön.
Die wiedergefundene Kraft von Selig liegt in diesem unbändigen Wollen, das über die nackten Fakten hinwegtanzt: „Himmelhoch hinauf in den hellsten Schein“, der erste Song – „5000 Meilen“ – mit dem sich Selig zur Decke strecken, gibt die einzig mögliche Richtung für die Band vor, die einmal den Grunge nach Deutschland gebracht haben soll. „Wenn ich wollte“ als Zugabe, ein voll Bock rausgerocktes „Sie hat geschrien“ – Selig sind ein mittels Sound und Liebe verlöteter Bandklumpen, der Wände durchschlägt.
Mindestens prophetische Größe
Grunge interessiert heute keinen mehr, denn Selig haben natürlich die amerikanische Rocktradition inhaliert wie Räucherstäbchen und für den Gitarristen Christian Neander muss es schon Frusciante, eher Hendrix sein. Während Malte Neumann seinen Orgelsound zwischen die Steine füllt. So schaukelt sich das auf zu mindestens prophetischer Größe: „Ich stand auf dem windigsten höchsten aller Berge“ – Zarathustra hört den Überrock und strickt sich einen Pulli. „Ich dachte schon“ ist ein Blues, gekocht in Stahl. Lange läuternde Sekunden im Hochofen des Lärms. Pupillenerweiterung. Ende. „Seht ihr“, ruft Jan und zeigt auf sein T-Shirt, „mein Schweißfleck ist ein Herz“.
Christian Jooß
- Themen:
- Muffathalle