Ein Hauch James Bond: "Tatort: Kammerflimmern" in der AZ-Kritik

Es hätte eine Szene für die "Käffchen?"-Klischee-Beamten Baumann & Clausen aus der Radio-Comedy werden können: In einer Behörde klingeln alle Telefone, und die beiden Polizistinnen stehen da und schauen einander lange und immer wieder verwundert an, ohne auch nur ein Telefon anzurühren. Irgendwann hebt dann aber offenbar doch jemand ab, denn wir erfahren: Die Lage ist ernst. Sehr ernst.
Darum geht es beim Zücher Tatort
Der Zürcher "Tatort: Kammerflimmern" (Buch: André Küttel/Petra Ivanov, Regie: Barbara Kulcsar) lädt sich ganz schön was auf und spielt mit einer Horrorvorstellung in Hollywood-Dimensionen: Jemand hat Defibrillatoren-Implantate so manipuliert, dass sie ihren Trägern eher früher als später tödliche Stromschläge verpassen. Und es gibt viele potentielle Opfer. 12 000 Schweizer tragen offenbar so einen Defibrillator unter der Haut. Die werden hier immer penibel "ICD" genannt. Der Unterschied zum Herzschrittmacher ist für Handlung und Zuschauer völlig wurscht, aber: wieder was gelernt.

Der Fall (der eher ein Plumpsen ist)
Wir sind keine Ärzte, aber dass die Menschen einfach umfallen wie ein Sack Mehl, nicht zucken, nicht schreien, sieht ein wenig albern aus. Da hätte man gerne etwas dramatisieren dürfen. Andererseits hat das wörtliche Ausschalten eines Menschenlebens etwas besonders Beiläufig-Böses.
Das Personal
Tessa Ott (Carol Schuler) und Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) ermitteln vor sich hin, Noah Löwenherz (Aaron Arens) hält die Bude als Technik-Profi zusammen. Auffällig: Schweizer Damen sagen heute immer wieder "Fuck", wo der gute alte Schimanski noch "Scheiße" sagte. Oh, Verfall der Sitten!

Und sie sagen "AGT" für "außergewöhnliche Todesfälle" und verwirren damit die Menschen, die sie befragen.
Dazu kommen Konkurrenzfirmen, eine übereifrige Journalistin und noch die Mama im "Retreat".
Was sonst noch ist
1. Der Firmensitz der erpressten Firma könnte auch die Zentrale eines Bond-Bösewichts sein. 2. Wenn du als Erpresser einen äußerst hässlichen Pullover trägst, kannst du dich auch mit Maske und Fischerhütchen nicht mehr tarnen. 3. Wenn auf dem Erpresserbildschirm zu einem 80er-Jahre-Gepiepse eine lächerliche Pixelgrafik erscheint, sag als Ermittlerin mit Kennerblick nicht unironisch: "Da hat sich jemand ne Scheißmühe gemacht."

Ist der neue Tatort aus der Schweiz sehenswert?
Ja. Stellenweise etwas statisch, aber die Auflösung offenbart einen Rachewahn wie aus einem James-Bond-Film.
Der "Tatort: Kammerflimmern" in einem Satz
"Fuck, so viele AGTs durch ICDs."