Ein Großrabbiner mit Namen Adolf
Wenn Sie dies lesen, hat der Asteroid 2012 DA14 bereits die Erde passiert. Aber eins ist sicher: Der nächste Weltuntergang kommt bestimmt. Zur Nachbereitung und Vorbereitung auf künftige Ereignisse dieser Art empfiehlt sich der Hannes Steins Debüt-Roman „Der Komet“, der zufällig vor zwei Tagen erschienen ist.
In den letzten Jahren wurde öfter die Weltgeschichte umgeschrieben. In Dieter Kühns „Ich war Hitlers Schutzengel“ fliegt der „Führer“ 1939 mit dem Bürgerbräukeller in die Luft. Simon Urban lässt in „Plan D“ die DDR weiterbestehen, der Althistoriker Alexander Demandt spielt in „Es hätte auch anders kommen können“ Wendepunkt der Deutschen Geschichte durch.
Bei Hannes Stein dreht Erzherzog Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 nach der ersten geworfenen Bombe mit den Worten „Ich bin doch ned deppat, i fohr wieder z’haus“ in Sarajewo um. Er verpasst die Kugeln aus der Pistole des jungen Serben Gavrilo Princip. Der Erste Weltkrieg und seine sämtlich unerfreulichen Spätfolgen entfallen.
Und so kommt es, dass der Vorname Adolf von einem Oberrabbiner in Würde getragen werden kann und dieser die Berufung ins fade Provinznest Jerusalem rundheraus ablehnt, weil Wien schöner und jüdischer ist. Die reformierte k. und k. Monarchie besteht als eine Art g’schlamperte Balkan-EU weiter, Deutschland ist unter der Kaiserin Augusta führende technologische Weltmacht und unterhält eine Station auf dem Mond. Von einem Teleskop auf dessen Rückseite beobachtet der Hofastronom die bedrohliche Annäherung eines Kometen wie einst Knieriem in Johann Nestroys Posse „Der böse Geist Lumpazivagabundus“.
Ein wenig Liebe zum alten Österreich sollte der Leser dieser netten Schnurre mitbringen, obwohl ein Anhang die vom Romangeschehen abweichenden historischen Hintergründe erklärt. Amerika ist in dem Buch eine „Schweiz in Übergröße“ ohne Kultur: Oskar Hammerstein ist der Wiener Operette treu geblieben, Samuel Wilder, Christoph Waltz und Szczepan Szpilberg drehen selbstverständlich am Rosenhügel in Wien-Hietzing und nicht in Hollywood.
Angesichts von Worten wie Elektrobuch und Klapprechnern aus der Produktion des k. und k. Hoflieferanten Musil, Kraus und Kratochwil in Brünn wäre es allerdings falsch, den Verfasser für übermäßig germanophil zu halten: Der gebürtige Münchner Hannes Stein lebt eingebürgert bei New York. Im echten Leben lässt er sich als Kommentator der „Welt“ von einem Amerikaner patriotisch nicht leicht überbieten.
Hannes Stein: „Der Komet“ (Galiani Berlin, 270 S., 18.99 Euro
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- Christoph Waltz