Ein Fußballsommer in Berlin
Sie gehören zu jenen raren Bands, die nach Sekunden für Millionen wiedererkennbar sind. Michael Stipe (51), Peter Buck (54) und Mike Mills (52) haben in drei Jahrzehnten R.E.M. zu einer Marke gemacht mit Mainstreamhymnen und geradlinigem Rock, der sich nie weit von den ersten Erfolgen wie „The One I Love” sowie „It’s The End Of The World As We Know It (And I Feel Fine)” entfernt. Bis heute.
Warum also ein neues R.E.M Album? Auf ihrem 15. Studiowerk „Collapse Into Now” geben die ehemaligen Collegerocker eine überzeugende Antwort. Das letzte Album des legendären 80 Millionen Dollar Deals mit Warner klingt wie ein „Best of” Album – allerdings mit neuen Nummern. Und es enthält jene stilistische Bandbreite, die den Vorgängern „Around the Sun” (zu lasch) und „Accelerate” (nur rockig) hörbar fehlte.
Die Auftaktnummern „Discoverer” und „All the best” klingen so unverfälscht frisch wie die „Finest Worksong” vor einem Vierteljahrhundert. In den Berliner Hansa-Studios, wo R.E.M. während der letztjährigen Fußball-WM heiße Sommerwochen auf den Spuren von David Bowie und U2 wandelten, entstanden mit „Überlin” und „It Happened Today” zwei überaus gefühlvolle Stücke. Und mit der dunklen Ballade „Blue” auch der Höhepunkt des Albums. Hier erklingen Stipes zunehmend wütender Sprechgesang und Patti Smiths dämonisch anziehende Gaststimme über einer atmosphärischen Klanglandschaft. „Blue” ist wie eine Kellertür zu der Bandgeschichte, die R.E.M nur angetickt aber nie eingeschlagen haben. Im Spagat zwischen Charts und Underground entschieden sich R.E.M. stets für die erste Variante.
Ob „Collapse Into Now” nun das überaus gelungene Bandvermächtnis bilden wird, ist noch nicht ausgemacht. Touren wollen R.E.M. vorerst nicht mehr, und die Millionen-Verträge von einst bekommt heute niemand mehr.
R.E.M. „Collapse Into Now” (Warner)