Ein erzwungener Generationswechsel

Nach über einem Jahrzehnt ermattet: Der Bayerische Rundfunk verlängert Udo Zimmermanns Vertrag als Chef der musica viva nicht mehr.
von  Abendzeitung

Nach über einem Jahrzehnt ermattet: Der Bayerische Rundfunk verlängert Udo Zimmermanns Vertrag als Chef der musica viva nicht mehr.

Bei der musica viva, der BR-Reihe für zeitgenössische Musik, bricht eine neue Ära an. Der Vertrag von Udo Zimmermann wurde nicht verlängert. Er läuft am 31. Dezember 2010 aus. Wie der BR gestern Abend bestätigte, folgt ihm zum 1. Januar 2011 Winrich Hopp als künstlerischer Leiter nach. Mit der Reihe ist er vertraut: Unter dem seit 1997 amtierenden Zimmermann, der seit Juni der Sächsischen Akademie der Künste vorsteht, war Hopp bis 2002 Dramaturg in der Programmplanung und künstlerischen Produktion.

Seit 2002 ist Hopp, der über Karlheinz Stockhausen promoviert hat, im Vorstand der NRW-Kulturstiftung. 2006 wurde er künstlerischer Leiter des „musikfest berlin“. Nun soll Hopp die musica viva retten, denn in der vergangenen Saison traten gravierende Mängel in der Ausrichtung und Konzeption der verdienstvollen und notwendigen Reihe zu Tage.

Vermittlung ist ein Fremdwort

So war zwar im Frühjahr erstmals ein Festival veran-staltet worden, doch wurde auch hier die Reihe nicht für neue Komponisten geöffnet. Wie bei der musica viva üblich, wurden Werke wahllos aneinandergereiht. Sinnstiftende Dramaturgie und Musikvermittlung sind dort Fremdwörter. Glücklich, wer Beziehungen zwischen den Werken erhascht: Man muss selber drauf kommen.

Auch hat es die Leitung der musica viva bislang versäumt, vorhandene Kräfte besser zu nutzen. Das zeigte der Kammermusik-Abend während des Festivals mit Solisten des BR-Symphonieorchesters. Die Musiker selbst hatten ihn initiiert, die Leitung soll nicht besonders kooperativ gewesen sein. Weil der Kammermusik-Abend ein Höhepunkt des Festivals wurde, wird er die musica viva fortan bereichern – und zwar schon in der Spielzeit 2008/09.

Peinliche Absage einer Uraufführung

Dass ihn nicht die Leitung initiiert hat, belegt mangelnde Offenheit für neue Ideen. Und nicht nur das: Es ist kein Geheimnis, dass das Verhältnis zwischen der musica viva und dem BR-Symphonieorchester nicht besonders gut ist. Auch deswegen kam es Ende April zur spektakulär peinlichen Absage der Uraufführung von Dror Feilers „Belagerungszustand“. Die Musik sei für die Musiker zu laut, hieß es aus dem Orchester.

Wie immer man darüber denkt: Es wäre die Aufgabe der Leitung der musica viva gewesen, die pünktlich eingereichte Partitur zu prüfen und sich mit dem Orchester auszutauschen. Zweifellos hat Zimmermann große Verdienste um die musica viva, nicht zu-letzt kam es unter seiner Führung zu einem Publikumszuwachs. Doch nun ist die Luft raus, ein Wechsel tut not. Von Hopp wird eine programmatische und konzeptionelle Öffnung sowie eine schlüssige Dramaturgie und eine bessere Kommunikation mit dem Symphonieorchester erwartet.

Auch im Orchester wird die Zukunft der musica viva diskutiert. „Es wäre eine Idealkonstruktion, wenn wir dort jemanden hätten, der gleichzeitig uns programmatisch berät“, sagt der neue Orchestermanager Stephan Gehmacher. „Wir brauchen jemanden, der uns von außen anstößt.“

Mariss Jansons kann sich wiederum vorstellen, auch bei der musica viva zu dirigieren. „Es wird mir eine Freude sein, ihn daran zu erinnern“, so Gehmacher. „Das wäre ein wichtiges Signal.“

Marco Frei

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