Ein braver Bub, der böse Bryn

Bassbariton Terfel macht sich auf seiner neuen CD „Bad Boys“ an die Schurken der Opernwelt. Für die wirklich dunklen Gesellen ist der Familienvater aus Wales allerdings nicht fies genug
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Bassbariton Terfel macht sich auf seiner neuen CD „Bad Boys“ an die Schurken der Opernwelt. Für die wirklich dunklen Gesellen ist der Familienvater aus Wales allerdings nicht fies genug

Holla, für dieses Foto hat sich Bryn Terfel sicher mächtig ins Zeug gelegt. Ab und an muss halt auch ein dreifacher Familienvater richtig fies rüberkommen: Etwa, wenn er für seine neue Platte „Bad Boys“ die schlechten Kerle der Opernwelt mimt. Und da gibt es im tiefen Fach eine ganze Menge. Allerdings setzt der 44-jährige Hüne aus dem nördlichen Wales nicht nur auf rabenschwarze Gesellen, auch ein paar zwielichtige Gestalten sind in seiner Sammlung – und die liegen ihm besonders.

Dulcamara, der ausgebuffte Quacksalber aus Donizettis „L’elisir d’amore“ hat durchaus Witz, wenn er seine Liebestrank-Kundschaft hinters Licht führt. Da wickelt Terfel sein Publikum ganz lässig um den Finger („Udite“), die Münchner kennen diesen ganz speziellen Charme aus der Staatsoper. Und mindestens so delikat gelingt ihm Sir Roderics „When the night wind howls“ aus Arthur Sullivans Operette „Ruddigore“.

Sogar den Mackie Messer hat er drauf

Überhaupt nimmt unser Wunsch-Wotan das vermeintlich Leichte gar nicht auf die leichte Schulter, selbst Javerts „Les Misérables“-Hit „There, out in the darkness“ (von Claude-Michel Schönberg) hat noch Gewicht. Und als Mackie Messer – „und derrr Haaaifiiisch“ – stürzt er sich mit historisch informierter Sprach-Lust auf Bert Brechts herrlich knarzende Verse.

Wobei Terfel auch hörbares Vergnügen daran hat, beim dämonischen Untergang Don Giovannis gleich drei Rollen auf einmal zu übernehmen: den reuelosen Titelhelden, Diener Leporello und einen mit Halleffekten aufgemischten Komtur. Tatsächlich funkelt der satte Bassbariton des Sängers vor allem in den großen Opernpartien, übrigens fabelhaft in Szene gesetzt vom Schwedischen Radio-Symphonieorchester unter der Leitung von Paul Daniel.

Wunderbar, wie Terfel als Gounod-Méphistophélès in den Kellergewölben seines Organs gräbt, in Arrigo Boitos Teufelsversion darf er sogar noch ein bisschen heftiger schillern. Nur für den fahlen „Freischütz“-Kaspar (etwas träge kommt das „Schweig“ daher), die Rolle des eiskalten Tosca-Bedrängers Scarpa oder für den Ober-Intriganten Iago aus dem „Otello“ fehlt es Terfel an dunkel-gemeiner Energie. Bryn ist halt doch ein good boy, das hört man einfach.

Christa Sigg

Bryn Terfel:„Bad Boys“ (Deutsche Grammophon)<7i>

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