Ein bisschen Lärm muss sein
Der Vollmond strahlt über dem Wasser, ein paar Sterne sind am Himmel zu sehen. Eine Yacht mit einem prachtvollen Großsegel schippert zu den Klängen von „If you were a Sailboat” gemütlich über die See.
Was man nicht alles beobachten kann, wenn man durch die Jalousien blickt, die Katie Melua bei ihren beiden ausverkauften Nachhol-Konzerten in der Philharmonie auf die Leinwand projiziert. Mit diesem visuellen Kunstgriff bezieht sich die erfolgsverwöhnte Sängerin überdeutlich auf den Titel ihres letzten Albums, „The House”. Melua hat in der Zusammenarbeit mit dem Produzenten William Orbit eine neue Pop-Wohnung bezogen. Die musikalische Ummöblierung in Richtung Elektro und Rock führte in Fankreisen zu Irritationen, die sich auch live nicht wegdiskutieren lassen.
Zu Beginn greift der zierliche Black Swan mit „The Closest Thing to Crazy” noch zielsicher in die Hitkiste, aber bereits „The Flood” bricht mit dem sanft-säuselnden Pop-Jazz, den Melua so gekonnt beherrscht. Zum Hochglanz-Körperkultvideo breitet die 26-Jährige die Arme aus, als wolle sie, getragen vom Beatbombast, davonfliegen. Doch der Ausflug in Pathos-Pop-Sphären hält nur kurz an, Melua will ja niemanden verschrecken.
Etwas willkürlich strukturiert die Frau mit der glasklaren, aber auch konturlosen Stimme ihr 90-minütiges Programm nach dem „Nur mal kurz probieren”-Prinzip: Mal eine intime Klavierhommage an Jane Goodall, dann ein bisschen Blues und sogar Ausflüge in den Rock. Trotz erstklassiger Bandbegleitung wirken die Genrewechsel der staksig dahintänzelnden Gitarrenspielerin häufig bemüht.
Ihre Stärken hat Melua bei den Balladen, was sich auch im Applaus der andächtig lauschenden Fans widerspiegelt. Als hätte Melua den Klatsch-Hinweis verstanden, packt sie in der Zugabe mit „Nine Million Bicycles” ihren größten Hit aus. Wer auf der Suche nach frech-gelungenen Musikexperimenten war, wurde beim barfüßigen Klangkünstler Yoav fündig. Die Ein-Mann Vorband stahl Melua mit ihrer Unbekümmertheit fast ein wenig die Show.
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