E-Gitarren erweckte Monster
Die Stimmung am Genfer See ist schlecht. Die arme Mary verlor bei der Geburt ihr Kind, und überhaupt ist dieser Sommer 1816 völlig verregnet. Um die Laune zu heben, lobt Lord Byron einen Dichterwettbewerb aus. Thema: Horrorgeschichten. Der Leibarzt des Gastgebers erfindet bei dieser Gelegenheit rund 80 Jahre vor Bram Stokers „Dracula” den Vampir-Roman. Mary Shelley hält vor der Folie von antikem Prometheus-Mythos, Schöpfungsgeschichte und Entdeckung der Elektrizität mit Erziehungsroman und Liebesdrama eines künstlich erschaffenen Menschen dagegen.
Nicht alle sind zu dieser Zeit von der neumodischen Energie überzeugt: „Niemand braucht eine elektrische Gitarre” stänkert Byron, was der „Frankenstein”-Version von Felix Bärwald Lacher sichert. Doch der Regisseur meint das nicht als Kalauer: Viktor Frankenstein (Peter Papakostidis) erweckt sein Monster mit den Klängen einer E-Gitarre. Ein ebenso bewegendes wie unklares Bild: Gebiert die Rockmusik Ungeheuer?
Diese Frage aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts würde in das Aus-der-Zeit-Gefallene dieser Interpretation passen. Die langwierigen und statisch vorgetragenen Diskurse über Moral und Schuld fühlen sich an, als wären sie mit einer Zeitmaschine aus Camus-Inszenierungen der 1960er-Jahre herbei gebeamt worden – allerdings ohne Camus-Texte. Bärwald, der im letzten Jahr an gleicher Stelle mit „Nach der Hochzeit” als kraftvoll zubeißender Erzähler überzeugte, geht bei „Frankenstein” in orientierungsfreier Bedeutungshuberei verloren. Auch das Zusammentreffen der Kreatur (bemitleidenswert zuckendes Monster: Philipp Moschitz) mit seiner Erfinderin Mary Shelley (Elisabeth Wasserscheid) erhellt nichts. Tante Mary gibt nur einen gepflegt morbiden Stehempfang im Retrodesign.
Metropoltheater, bis 22. Oktober 2011, dienstags bis samstags, 20 Uhr, Tel. 32195533