"Dumb Type" im Haus der Kunst: Halt bietet höchstens eine Insel

Zeitgleich im Haus der Kunst und auf der Biennale von Venedig mischt das japanische Kollektiv "Dumb Type" sein Publikum auf.
von  Roberta De Righi
Ein Blick in die Projektion "Voyage" des Kollektivs "Dumb Type - im Haus der Kunst.
Ein Blick in die Projektion "Voyage" des Kollektivs "Dumb Type - im Haus der Kunst. © Kazuo Fukunaga

München - Hier verliert selbst der digitale Wirklichkeits-Nomade den Boden unter den Füßen: in der Raum-Installation "Trace/React II" des japanischen Kollektivs "Dumb Type". Von allen vier Wänden sinken englische Wörter in den spiegelnden Boden, der lediglich in der Mitte auf einer quadratischen Insel Halt bietet.

"Dumb Type" in Venedig und München

"Dumb Type" bespielt derzeit nicht nur den Japan-Pavillon auf der Venedig-Biennale, sondern ist auch im Münchner Haus der Kunst zu sehen. Dort präsentiert die Gruppe, die sich 1984 in Kyoto formierte, in drei Räumen ihre multimedialen Installationen. Weil das Künstlerinnen- und Künstler-Team u. a. wesentlich von Fujiko Nakaya beeinflusst ist, läuft diese Präsentation parallel zu deren Schau "Nebel Leben".

Wort-Flut aus KI generiert

Für das überwältigende "Trace/React II" ließen "Dumb Type" eine Künstliche Intelligenz im Netz nach Begriffen aus den Bedeutungsfeldern "Liebe", "Sex", "Geld", "Tod" und "Leben" suchen. Angst, dass die KI uns intellektuell überflügelt, muss man in diesem Fall aber nicht haben: Unter Worte wie "attraction", "liaison" oder "slut" mischen sich deutsche Ortsnamen und römische Potentaten. Wer sich der Wort-Flut hingibt, versinkt bald im nervösen Strom des virtuellen Unbewussten.

Reaktion auf Japans Konsumhype

Das Kollektiv gründete sich einst in Reaktion auf Japans Konsum- und Technologie-Hype, mit dem man Anschluss an den Westen suchte. Seit bald vierzig Jahren setzen sich "Dump Type" mit medialer Überforderung und materialistischer Verdummung auseinander. Ihre Kunst ist dabei weder dumm noch stumm. Sie klingt etwa in der Breitwand-Projektion "Memorandum or Voyage" sogar oft ziemlich laut und fiept unangenehm schrill. Darin kombinieren "Dumb Type" drei frühere Performances neu, u. a. flimmert der Text von Darwins "Fahrt der Beagle" über die Wand, ergänzt durch eine Weltkarte, auf der man deren Route nach Feuerland folgen kann. In der Aufzeichnung von "OR" wiederum ist die Bewegung der Körper mit Signalen kombiniert, die an einen medizinischen Überwachungsmonitor erinnern.

Alt trotz High-Tech

Datenflut oder Leben? Dass es um den Einfluss von Technologien auf unser Bewusstsein geht, erschließt sich aus der Anschauung nicht, und die kompilierte Multimedia-Arbeit bleibt in der Wirkung spröde und erscheint trotz High-Tech ganz schön alt.

Dagegen wirkt der Raum, den man in der Ausstellung von "Dumb Type" als ersten betritt, poetisch und fast sinnlich. Die Klang-Installation "Playback" besteht aus 16 Plattenspielern, die den Sound aus 16 Städten der Welt ins Haus der Kunst bringen. Die Aufzeichnungen ertönen jeweils zur Zeit ihrer Aufnahme, sie wechseln sich ab und überlagern sich. Fahrradklingeln, Glockenläuten, Vogelzwitschern - vom Klang der Meta-Metropole bleiben vor allem die angenehmeren Geräusche im Gedächtnis. Vielleicht ist der Filter unserer Aufmerksamkeit am Ende doch lernfähig.


"Dumb Type" im bis 9. November im Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1, Mi-Mo 10 bis 20 Uhr, Do bis 22 Uhr.

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