Doppelgesichtige Fantasie

Das Bayerische Staatsschauspiel startet mit einem barocken Stoff in die Saison: Johannes Schmid inszeniert „Don Quijote von der Mancha“ von Cervantes. Heute ist Premiere im Cuvilliés Theater
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Das Bayerische Staatsschauspiel startet mit einem barocken Stoff in die Saison: Johannes Schmid inszeniert „Don Quijote von der Mancha“ von Cervantes. Heute ist Premiere im Cuvilliés Theater

Schon kurz nach Erscheinen des ersten Teils von „Don Quijote von der Mancha“ 1605 war der Roman von Miguel de Cervantes Saavedra ein Bestseller. 1615 erschien der zweite Teil, und seit 400 Jahren ist das parodistische Ritter-Epos ein Weltklassiker. Zur Saison-Eröffnung am Bayerischen Staatsschauspiel inszeniert Johannes Schmid die skurrilen Abenteuer des selbsternannten Ritters im Cuvilliés Theater. Heute ist Premiere. Der Regisseur verbuchte vor Kurzem mit seinem Debütfilm „Blöde Mütze!“ einen großen Erfolg.

AZ: Herr Schmid, es gibt ja einige Bühnenadaptionen von „Don Quijote“. Warum haben Sie mit Georg Holzer eine eigene Fassung erstellt?

JOHANNES SCHMID: Das ist schon ein don-quijotisches Unterfangen, aus 1200 Romanseiten eine Theaterfassung zu schnitzen. Aber wir wollten möglichst nah am Buch bleiben. 99 Prozent unseres Textes sind original Cervantes. Die Übersetzung von Ludwig Braunfels ist nah an Cervantes und schafft doch eine eigene Sprachwelt, eine bestimmte sprachliche Entrücktheit für diesen Fantasten zwischen Idealismus und Wahnsinn. Wichtig war uns das Barocke, die Weitschweifigkeit. Wir stützen uns stark auf die Gespräche von Don Quijote und Sancho Pansa, die eine absurde Kraft haben. Es ist absurdes Theater und dieses Sich-nicht-Verstehen und Doch-Verstehen hat auch eine philosophische Komponente.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Abenteuer ausgewählt?

Um bestimmte Episoden kommt man nicht drum rum – vor den Windmühlen kann man sich nicht drücken. Aber weil im ersten Teil die meisten Episoden nach demselben Muster ablaufen, haben wir weitgehend aus dem zweiten Teil eher unbekanntere Episoden ausgewählt.

Don Quijote sieht nach dem Lesen zu vieler Ritterromane alles, was ihm begegnet, als Teil einer vergangenen Ritterwelt. Was sagt er uns heute?

Die Modernität des Buches liegt im Spannungsfeld der Figur. Don Quijotes Fantasie führt uns in eine Welt, die viel toller ist als die Realität. Seine Erfindungskraft fasziniert und nimmt für ihn ein. Andererseits leidet er an Realitätsverlust, und das kann gefährlich sein. Sozusagen das Doppelgesicht der Fantasie. Da kann man andocken – ob man nun an virtuelle Welten denkt oder an Politiker, die sich die Wirklichkeit zurechtbiegen. Uns hat besonders auch die Sprache fasziniert mit ihrer eigenen Komik.

Sie haben 2000 Ihre eigene Filmproduktion gegründet, inszenieren seitdem aber regelmäßig auch Theater.

Ich finde es wichtig, in beiden Feldern zu Hause zu sein. Denn obwohl die Arbeitsweisen unterschiedlich sind, will ich mit beidem Geschichten erzählen, die im Idealfall die Leute emotionalisieren. Da bin ich altmodisch idealistisch.

Für Ihren Debütfilm „Blöde Mütze!“ über das Erwachsenwerden dreier Jugendlicher haben Sie beste Kritiken bekommen. Ist er auch an der Kinokasse ein Erfolg?

Wir liegen jetzt knapp unter 80000 Zuschauern. Verglichen mit anderen Debütproduktionen mit ähnlichem Budget ist das viel, aber natürlich nur wenig im Vergleich mit großen Familienproduktionen.

Wirkt sich der Erfolg auf Ihre Karriere aus?

Man wird in der Branche wahrgenommen. Und da es eine eigene, unabhängige Produktion war, ist auch klar, welchen künstlerischen Weg ich eingeschlagen habe. Durch den Film sind aber auch die Theaterangebote nach oben gegangen, damit hätte ich nicht gerechnet. Als Nächstes inszeniere ich in St. Gallen eine Kammeroper über Jakob von Gunten von Robert Walser.

Gabriella Lorenz

Cuvilliés Theater, Premiere heute19.30 Uhr, Tel. 2185 1940

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