Dirty Harry trumpft auf

Der TV-Entertainer absolviert seinen ersten Auftritt als festes Mitglied des Stuttgarter Staatstheaters. Viel Pop, ein Disco-Totenschädel und Seitenhiebe gegen Reich-Ranicki und Heidenreich. Die Leute lieben es.
von  Abendzeitung

Der TV-Entertainer absolviert seinen ersten Auftritt als festes Mitglied des Stuttgarter Staatstheaters. Viel Pop, ein Disco-Totenschädel und Seitenhiebe gegen Reich-Ranicki und Heidenreich. Die Leute lieben es.

Christian Brey, schon Ko-Regisseur bei Schmidts „Elvis", hat das Grüblerdrama „Hamlet" auf Schauspielführer-Kürze eingedampft und mit Pophits in Mamma-Mia-Manier angereichert. Hamlet als Musik-Box zum Mitgrooven. Der Witz dabei: Harald Schmidt, das neue Staatstheater-Ensemblemitglied, spielt mit, begnügt sich aber demonstrativ mit Nebenrollen.

Nicht nur Shakespeare wird geplündert

Als Knallcharge ist er auch hier ein Quotenbringer, macht als Pausenclown auf Udo Jürgens und sülzt als Polonius-Leiche „My Way". Fast so gut wie Stuttgarts Publikumsliebling Martin Leutgeb, dessen Horror-King Claudius in blutroten Handschuhen „Sympathy For The Devil" rockt.

Die Band Fort'n'Brass fährt alles auf, was sich plündern lässt, von Mozart bis Rammstein, von Janis Joplin bis „Tränen lügen nicht". Benjamin Grüters Hamlet, ein Batman mit Grusical-Touch, beherrscht bebenden Tragödenton genauso wie rührende Peter-Maffay-Lyrik („manchmal wünsch ich mir mein Schaukelpferd zurück").

Der Spätberufene

Und Dirty Harry? Sieht zum Davonlaufen aus: Eine Ikone des schlechten Theatergeschmacks, als Prinz-Eisenherz-Kasperl in Strumpfhosen (Polonius) oder als Kinderfernseh-Gespenst (Geist von Hamlets Vater). Dass Schmidt, der vor seiner TV-Karriere als Schauspielschüler in Stuttgart begann, mitten im Hamlet-Zitatenmüll über den Börsencrash ablästert oder den Reich-Ranicki gibt, ist eher die Ausnahme.

Schmidt erfüllt sich mit der Spätberufung ins Ensemble einen Jugendtraum, und das Staatstheater hat eine Zugnummer. Doch das Musical verengt sich nie zur Rocky Hamlet Harald Show. Das Ensemble glänzt – mindestens auf Augenhöhe mit Harald dem Großen. Selbstironie ist hier mit eingebaut. Kurz vor Schluss bietet sich Schmidt an: „Ich hab' noch'n Udo-Jürgens-Song." Hamlet winkt ab: „Nein, bitte nicht."

Otto Paul Burkhardt

Auch am 2., 7., 8. und 30. 11. Karten: 0711. 20 20 90

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