Direkt an die Gurgel

Am Volkstheater machte Regisseur Christian Stückl aus Shakespeares „Hamlet“ ein Action-Stück. Friedrich Mücke spielt den Dänenprinzen als arroganten Rebellen
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Am Volkstheater machte Regisseur Christian Stückl aus Shakespeares „Hamlet“ ein Action-Stück. Friedrich Mücke spielt den Dänenprinzen als arroganten Rebellen

Party-Stimmung am dänischen Hof: Königs feiern Hochzeit. Man lässt den Schampus spritzen, tanzt ein bisschen Rock, posiert küssend für die Paparazzi. Nur Prinz Hamlet stört sich daran, dass seine Mutter kurz nach dem Tod seines Vater wieder heiratet. Im Volkstheater inszenierte Christian Stückl Shakespeares Tragödie „Hamlet“ als Action-Stück, und Friedrich Mücke spielt den Titelhelden ganz und gar nicht als zögerlichen Melancholiker, sondern als sarkastischen, trotzigen Rebellen. Nach dreieinviertel Stunden, die in der zweiten Hälfte doch recht lang werden, viel Applaus für das Ensemble und ein einzelnes Buh für den Regisseur Christian Stückl.

Nach der Party-Sinnlichkeit greift sich das Übersinnliche Raum mit der Geistererscheinung. Eine Rüstung schwebt heran, kracht zu Boden, und dem Nebel entsteigt Michael Tregor als dürres, weißgeschminktes Gespenst im lächerlichen Kinderhemdchen. Das soll mal ein nobler König gewesen sein, ein Vatervorbild, das der Sohn in höchsten Tönen beschwört? Oder will Stückl die Figur als bösen Geist denunzieren, der Hamlet mit seinem Rache-Auftrag ins Verderben reitet?

Ach, schon wieder der Flachpool

Jedenfalls sucht Hamlet den Mordvorwurf des Geistes zu verifizieren – mit Hilfe des entlarvenden Theaterspiels, das er hier als strenger Regisseur grotesk inszeniert. Friedrich Mücke zeichnet Hamlet in seinem harschen Protest gegen die verlogene Spaßgesellschaft durchaus arrogant und moralisch überheblich. Scharfzüngig hetzt er durch die Monologe, ständig ist er in Action. In König Claudius hat er einen starken Gegenspieler. Jean-Luc Bubert spielt ihn als überdrehten, gefährlichen Egomanen, der bei jedem Auftritt vor sich hinflucht: „Ich mag ihn nicht, ich mag ihn nicht.“

Hamlets kalkulierte Raserei kann auch seine Geliebte Ophelia nicht bremsen: Barbara Romaner ist eine (auch im Wahnsinn noch) selbstbewusste junge Frau, die längst mit Hamlet im Bett war und sich mit ihrem Angeber-Bruder Laertes (Pascal Fligg) über die Ermahnungen ihres steif verdrucksten Vaters Polonius (Eckhard Preuß spielt ihn sehr komisch) lustig macht.

Zeitgeistige Accessoires

Das Planschbecken, in dem sie sich ertränkt, wird auf der Bühne (Alu Walter) mit Holzpodesten, Rasen und Erde reichlich genutzt: Hamlet lässt sich gleich am Anfang reinfallen und ständig schlurft jemand durch den Flachpool. Plakative Zeitgeist-Accessoires wie Handys, Sonnenbrillen und Digicam stehen in seltsamem Kontrast zu Schwertern, Totenschädeln und erdverschmierten Körpern. Es gibt schöne Bilder und  starke Momente (wenn Hamlet – anders als bei William Shakespeare – dem von Reue geplagten Claudius direkt an die Gurgel springt), aber zur wirklichen Tragik fehlt die Fallhöhe.

Die uneinheitliche Aufführung zerfasert mit der langen Totengräberszene, und am Ende ist man des ganzen Stürmens und Drängens herzlich müde.

Gabriella Lorenz

Münchner Volkstheater, 3., 4., 12., 13., 23., 25., 26. Dezember, 7., 8. Januar, 19.30 Uhr, Tel. 52 34 655

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