Diese Stimme will doch nur spielen
Dass er einfach mal nur dasitzt, weil die Beine streiken – man kann es sich inzwischen vorstellen. Zu den ersten Takten von „Summertime” schleicht ein sichtbar reduzierter Al Jarreau auf die Bühne. 72 ist der Popstar unter den Jazz-Sängern inzwischen. Und er hat einiges wegzustecken, das Herz macht Zicken, im Frühjahr musste er wegen einer Lungenentzündung pausieren. Aber dass das frühere Bewegungsquecksilber einfach verstummt, das ist schlicht unmöglich.
Die wunderbar lässig pointierte NDR-Bigband (jeder von Jörg-Joachim Kellers Männern könnte einen Soloabend hinwerfen) hat den letzten Winkel des Krone-Baus noch nicht erreicht, schon geht mit Jarreau der Spieltrieb durch, purzeln die Melodiefetzen wie nervöse Jonglierbälle durch die Luft. Dann gurgelt, fiept und seufzt er sich durch Gershwins „Porgy and Bess”. Von „It Ain’t Necessarily So”, in dem er seine sonoren Tiefen swingend zum Wummen bringt, bis zum wundervollen „Bess, You Is My Woman Now”, das selbst in der Verzerrung durch Mark und Bein geht. Und droht die Stimme wegzuflutschen, kreiert Jarreau daraus ein köstlich-komisches Stilmittel. Dann wird ein bisschen gehechelt und gezirpt, was seine Fans grad noch mehr auf Touren bringt.
Doch es geht noch besser: Mit „Mas Que Nada” an der Seite von Piano-Spezl Joe Sample (The Crusaders, „Street Life”) und Dave Brubecks Endlosbrenner „Take Five” ist das fast ausverkaufte Zeltrund am Überköcheln. Warum also an neuem Stoff basteln, wenn die alten Drogen noch so gut reinhauen?
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