"Die Wölfe": Geschichte als Fiktion
Mehr Drama, weniger Doku: Das ZDF zeigt mit „Die Wölfe“ eine neue Form des Doku-Dramas. Ezählt wird die Geschichte von sechs Freunden im Berlin der Jahre 1948, 1961 und 1989
Silvester 1989: Während ganz Berlin noch in der Freude der Wiedervereinigung taumelt, will sich ein junges Paar das Ja-Wort geben. Doch erst vor dem Traualtar wird klar: Die Eltern der beiden haben eine gemeinsame, tragische Vergangenheit. Sie gehörten in der Nachkriegszeit zu einer Jugendbande, die sich schwor: „Nichts kann uns trennen, nicht mal der Tod.“
Vier Buben und zwei Mädchen gründeten im Sommer 1948 „Die Wölfe“. Vor der Kulisse des weltpolitischen Ringens um das geteilte Berlin erzählt das gleichnamige dreiteilige Doku-Drama die Geschichte der sechs Freunde – von der Luftbrücke 1948 über den Mauerbau 1961 bis zum Mauerfall 1989. Dabei brodelt von Anfang an ein Kampf zwischen dem Juden Jakob, der als einziger seiner Familie überlebt hat, und dem vaterlos aufgewachsenen Bernd. Beide lieben Lotte, die sich nicht entscheiden kann. Kann Freundschaft stärker sein als Liebe und Hass?
Jede Figur wird von einem Schauspieler-Trio verkörpert
Normalerweise funktioniert das Genre Doku-Drama nach folgendem Schema: Eine Spielhandlung, die sich möglichst eng an die historische Vorlage hält, wird immer wieder unterbrochen von Dokumentarbildern oder Zeitzeugenaussagen. „Die Wölfe“ erweitert das Doku-Drama nun um eine Variante: Historische Originalbilder aus dem Berlin der jeweiligen Jahre wechseln mit einer rein fiktiven Rahmenhandlung ab. Guido Knopp, ZDF-Geschichts-Beauftragter, hat manche Szenen historisch verankert. Den „Schokoloadenflieger“ gab es beispielsweise wirklich: „Einer der populärsten Luftbrückenpiloten, Leutnant Gail S. Halvorsen, hatte damals am Tempelhof um Kaugummi bettelnden Kindern versprochen, Süßigkeiten vom Himmel regnen zu lassen“, erzählt Knopp. „Verabredetes Zeichen, auf welchen Flieger sie achten sollen, war das Wackeln mit den Flügeln.“
Die Brüder Christoph und Friedmann Fromm inszenierten „Die Wölfe“ unter dem Diktat der Geschichte und haben Erstaunliches geleistet: Als Zuschauer nimmt man kaum einen Bruch zwischen Realität und Spielhandlung wahr. Ein Verdienst ist das auch von hervorragenden Schauspielern wie Barbara Auer, Matthias Brandt, Stephanie Stappenbeck, Florian David Fitz und Axel Prahl, die anfangs selbst nicht so genau wussten, auf was sie sich einließen. „Damals dachte ich, dass man uns wie im Woody-Allen-Film ,Zelig’ in das vorhandene Doku-Material einstanzen würde“, sagt Prahl im Interview. Ein Darsteller-Trio übernahm jeweils eine Rolle, Prahl teilt sich die des Bernd mit Vincent Redetzki und Florian Lukas.
Wenig Freude kam beim ZDF auf, als die ARD verkündete, ausgerechnet die Teamworx-Produktion „Willkommen zuhause“ gegen den zweiten „Wölfe“-Teil am 2. Februar zu setzen. Eigentlich sollte das Drama um einen Afghanistan-Heimkehrer bereits am 21. Januar laufen, doch da hatte das ZDF die Hape-Kerkeling-Komödie „Ein Mann, ein Fjord“ platziert. „Kein extrem freundlicher Akt“, sagt Guido Knopp über die ARD.
Angelika Kahl
„Die Wölfe“ zeigt das ZDF heute um 21 Uhr. Teil 2 und 3 am 2. und 3. Februar, jeweils um 20.15 Uhr
„Irrer Abenteuerspielplatz“
AZ: Herr Prahl, „Die Wölfe“ erzählt eine Geschichte über ein halbes Leben hinweg. 3 Schauspieler verkörpern eine Rolle. Wie war das?
AXEL PRAHL: Es gab im Vorfeld eine gemeinsame Leseprobe, in der wir versucht haben, gemeinsame Attitüden zu finden. Und ich habe mir Teile des ersten und den gesamten zweiten Teil daraufhin angesehen, um die Rolle des Bernd entsprechend fortführen zu können. Das ging deshalb, weil weitgehend chronologisch gedreht wurde.
„Die Wölfe“ leben im Berlin der Jahre 1948, 1961 und 1989. Wann wären Sie am liebsten jung gewesen?
Ganz klar 1948! Berlin nach dem Kriegsende, das muss eine unglaubliche Zeit gewesen sein. Bei allen Härten – für Kinder muss diese Trümmerlandschaft auch ein irrer Abenteuerspielplatz gewesen sein. Eine wilde Zeit.
Wie haben Sie den Mauerfall erlebt?
ch war damals in Schleswig-Holstein am Theater. Ich bekomme immer noch eine Gänsehaut, wenn ich an 1989 zurückdenke. Der Mauerbau 1961 löst bei mir ähnliche Gefühle aus, obwohl ich nicht dabei war – das Radikale, das Unfassbare an diesem Ereignis.
Wie wichtig ist Ihnen das Thema Freundschaft?
Sie sorgt in jedem Fall für einen reichen Erfahrungsschatz. Nehmen wir den Film
„Die Wölfe“ verbindet Fiktion mit Dokumentarischem...
Für mich ist der erste Teil ein Abenteuerfilm par excellence, fast schon eine Geschichte im Stile von „Tom Sawyer und Huckleberry Finn“. Und auch Teil zwei ist Abenteuer, im dritten steht das Drama im Vordergrund.
Eric Leimann/tsch