Die "Unendliche Geschichte" im Deutschen Theater
Von der Verfilmung seines Romans durch Wolfgang Petersen war Michael Ende 1984 so enttäuscht, dass er seinen Namen aus dem Vorspann streichen ließ. Zu viel naives Fantasy-Spektakel, befand der Garmischer Schriftsteller, und zu wenig psychologische Entwicklung aus der zweiten Hälfte der zumindest sehr langen und immer überraschenden Geschichte.
Nach dem Tod Endes 1995 gingen die Erben vorsichtig mit der Rechtevergabe um. Siegfried Matthus komponierte eine 2004 in Weimar uraufgeführte Oper nach dem überbordend fantastischen Coming-of-Age-Stoff, aber erst vor zwei Jahren bekam der Dramatiker John von Düffel die Genehmigung, eine Fassung von "Die unendliche Geschichte" für die Schauspielbühne zu schreiben.
Die nutzte Carl Philipp von Maldeghem, um im vergangenen Februar zeigen zu können, was sein Salzburger Landestheater nach der langjährigen Sanierung alles kann. Da fliegt der Glücksdrache Fuchur mindestens so elegant durch den Himmel von Phantásien wie einst durch die Bavaria-Filmstudios - dank der Tricktechnik. Aber dem Regie führenden Intendanten ging es auch darum, nicht einfach Kino zu machen, was das Kino ohnehin besser kann als alle anderen Künste, sondern richtiges Theater. Für ein paar Tage können die Münchner sich im Deutschen Theater davon überzeugen, ob und wie das gelungen ist.
Die Illusion, dass eine Puppe, die aussieht, wie ein sympathisch wirkender Drache, tatsächlich fliegen kann, wird gar nicht erst versucht. Die Technik, bleibt sichtbar, aber das macht nichts. Kasperltheater funktioniert auch schon seit Generationen, obwohl jeder weiß, dass im bunten Kittel des Spaßmachers die Hand eines Puppenspielers steckt.
So ist auch Martin Trippensee zu sehen, wenn Fuchur gerade zu Fuß geht. Was zwischendurch immer wieder durchaus stören kann, ist die eine oder andere Stadttheaterei, die sich die Inszenierung gönnt.
Man steht viel und gerne entlang der Rampe herum, obwohl Figuren wie die Rennschnecke (Lisa Fertner) oder der Steinbeißer (auch Martin Trippensee) auf einer Reise sind. Sie sind auf dem Weg zur Kindlichen Kaiserin (auch Lisa Fertner), um den Untergang Phantásiens zu verhindern. Die Herrscherin thront immerhin akrobatisch auf einem Luftring, aber die Untertanen leiern einen so gleichförmigen Betroffenheitston herunter, dass das ein Grund dafür sein könnte, wenn Land und Kaiserin vor der Pause einfach "Plopp" machen und verschwinden.
Natürlich ist der wahre Grund, dass Bastian (Aaron Röll) im richtigen Moment der Mut fehlt, den neuen Namen der Kindlichen Kaiserin auszusprechen. Ohne Selbstbewusstsein, aber im ärmellosen Strickpulli (Ausstattung: Christian Floeren) ist er das idealtypische Mobbingopfer, das vor seinen Peinigern vom Schulhof ins leere Theater flieht (im Original ist es ein Buchladen). Dort trifft er auf Herrn Koreander (Georg Clementi), den Souffleur, und auf ein altes Buch, in dessen Geschichte er eintaucht und deren Teil er wird.
Sein bester Freund wird Atréju, der in dieser Produktion völlig unaufdringlich und ganz wunderbar mit einer Frau, der hoch präsenten Leyla Bischoff, besetzt ist. Kraft seiner Fantasie erschafft Bastian das Land nach dessen Verschwinden neu, bedroht es aber auch wieder, indem er sich zunehmend von sich selbst entfernt. So ist der Kampf um seine Selbstwiederentdeckung gegen die bösen Kräfte der Entfremdung der spannendere Teil des von Katrin Schweiger mit atmosphärereicher Theatermusik begleiteten Abends für Publikum ab zwölf.
Auch, wenn manche Situation allzu hurtig gelöst werden muss, dominieren die starken Bilder einer unglaublich schönen Geschichte von einem, der ganz aus Versehen auszog, um die Welten der Fantasie und der Wirklichkeit zu versöhnen.
Deutsches Theater, bis 25. Juni, 19.30 Uhr, Samstag auch 15 Uhr, Sonntag 14.30 Uhr, Telefon 5234444
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