Die unbekannte Frau in Krapps Leben

Heute Premiere in den Kammerspielen: Becketts „Letztes Band“ und Handkes Antwort
von  Abendzeitung

Heute Premiere in den Kammerspielen: Becketts „Letztes Band“ und Handkes Antwort

Einmal, vor 30 Jahren, gab es für Krapp eine Frau mit grünen Augen, die sein Leben hätte verändern können. Doch der Egozentriker entschied sich für seine Kunst, das Schreiben, und gegen die Liebe. Seine Lebensbilanz zieht er mit 69, als er „Das letzte Band“ bespricht. Samuel Becketts Monolog-Klassiker aus dem Jahr 1958 hat einen Nachhall erfahren: 50 Jahre später lässt der Dichter Peter Handke in dem Monolog „Bis dass der Tag euch scheidet oder eine Frage des Lichts“ die Frau zu Wort kommen und abrechnen. Ihre Sicht wirft ein neues Licht auf Krapp. Jossi Wieler inszenierte den Beckett/Handke-Doppelabend für die Salzburger Festspiele. Heute hat die Koproduktion München-Premiere in den Kammerspielen. Den Krapp spielt André Jung, die Frau Nina Kunzendorf, die tatsächlich grüne Augen hat.

AZ: Frau Kunzendorf, was könnte diese Frau für ein Leben gehabt haben?

NINA KUNZENDORF: Ich frage mich eigentlich nie nach der Biografie einer Figur, sondern versuche, mein Spiel konkret auf die jeweilige Situation zu beziehen, es aus der Figur zu nehmen, aus ihrem Antrieb, aus dem, was sie sagt.

Handkes Text legt nah, dass die Frau mit Krapp zusammengelebt hat. Dann müsste sie älter sein als Sie.

Beim ersten Lesen habe ich gedacht, ich bin entweder zu alt oder zu jung für die Rolle. Mein Alter entspricht ja auch nicht dem von André Jung. So ist es eher der Versuch, eine Figur zu erzählen, wie sie in Krapps Erinnerung geblieben ist. Es ist nicht wirklich eine realistische Figur.

Aber die Bühnen-Videos suggerieren ein realistisches Zusammenleben.

Ja, das Leben, das sie beschreibt, ist sehr konkret.

Die Frau hat keinen Namen.

Damit kokettiert sie auch, dass sie die namenlose, unbekannte Frau ist. Sie ist eine Figur, die aus dem Nichts auftaucht, eine Behauptung.

Handkes Text lässt vermuten, dass sie Krapp überlebt hat.

Sie hat ihn überlebt im wörtlichen Sinne und im übertragenen: Ich verstehe sie nicht als Opfer. Sie ist vitaler und heller als Krapp, sie hat sich für einen anderen Weg entschieden und ist nicht auf der Strecke geblieben in dieser despotischen Beziehung.

Verändert sich die Aufführung gegenüber Salzburg?

Wir haben sie in Salzburg ja nur fünf Mal gespielt, sie ist also noch nicht warm- und weichgespielt. Das wird sich sicherlich weiterentwickeln und mir näher kommen.

Seit Sie Kinder haben, sind Sie nicht mehr fest am Theater, haben aber viel gedreht.

Das war keine Entscheidung gegen das Theater. Ich liebe es sehr und habe tolle Projekte gemacht. Jetzt genieße ich es, dass meine freie Zeit meinen kleinen Kindern gehört. Mein Sohn ist vier, mein Tochter zweieinhalb. Wir leben auf dem Land, das macht zwar die Logistik ein bisschen schwieriger, aber dafür entschädigt das schöne Leben da draußen. Momentan drehe ich in Hamburg, aber mein Mann Stephan Bissmeier und ich wechseln uns ab, so dass immer einer da ist. Aber ich freue mich, jetzt wieder an den Kammerspielen zu sein.

Was kommt als Nächstes?

Es gibt noch nichts Spruchreifes. Die nächste Zeit ist ausgefüllt mit den Vorstellungen hier und vielen Gastspielen.

Wird man Sie auch unter dem Intendanten Johan Simons an den Kammerspielen sehen?

Wir werden dem Haus auf jeden Fall verbunden bleiben, deswegen sind mein Mann und ich auch in der Nähe von München geblieben. Ich will mich nicht vom Theater verabschieden. Film ist zwar verführerisch und mit Kindern einfacher zu organisieren, aber ich bin glücklich, wenn ich mich wieder ans Theater anschleichen kann.

Gabriella Lorenz

Kammerspiele, heute 20 Uhr, Tel.23396600

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